Brasiliens Südwesten - Mai/Juni 2018

Die Karte kann beliebig gezoomt werden, so dass die Details besser ersichtlich sind.


Zurück ins Hochland

Nach dem Besuch von Rio de Janeiro liessen wir die Küste Brasiliens endgültig hinter uns. Durch den Nationalpark Serra dos Orgaos stieg die Strasse steil auf 1000müM an. Die Temperatur fiel um einige Grade und Nebelfetzen hingen in den Bergen. Als wir beim Aussichtspunkt auf den Finger Gottes, einem schlanken, markanten Felsenturm, anhielten war der Himmel jedoch bereits wieder strahlend blau.

Ein Abstecher brachte uns nach Nova Friburgo, wo wir im Casa Suiça wieder einmal guten Käse kaufen wollten. Schweizer Auswanderer, mehrheitlich aus dem Kanton Fribourg, hatten sich um 1820 hier angesiedelt. Ein kleines Museum zeigte mit vielen historischen Bildern die interessante Geschichte der Auswandererfamilien auf, angefangen mit den Dramen, welche sich bereits bei der Überfahrt auf Segelschiffen abspielten, wie sich die Neuankömmlinge ihr Leben in der ungewohnten Umgebung einrichteten, bis hin zum 1980 gegründeten grössten Fussballverein der Stadt, den Friburgense AC. 1997 gründeten Nachkommen der Auswanderer hier eine Käsereischule, wo die Herstellung von Käse nach Schweizer Rezepten vermittelt wird und deren Produkte im dazugehörenden Laden gekauft werden können.


Die Barockstädte von Minas Gerais

Zwischen Rio de Janeiro und Belo Horizonte reihen sich eine ganze Anzahl von schönen Barockstädten aneinander. Es ist kein Zufall, dass die alten Städte mit ihren reich verzierten Häusern und Kirchen gerade in dieser Region anzutreffen sind. Der Staat Minas Gerais war ab dem 17. Jahrhundert das Zentrum erfolgreichen Gold- und Edelsteinabbaus. Der damit gewonnene Reichtum ermöglichte es den Minenbesitzern, in grosszügige Bauten zu investieren.

Die Zentren vieler dieser Orte sind nach wie vor wunderschön und sehr gut erhalten. Wir legten unsere Route so, dass wir die schönsten der Städte besuchen konnten.

Sao Joao del Rei und Tiradentes

Wir quartieren uns in Tiradentes ein und erkundeten die beiden nahe beieinanderliegenden Städte von dort aus. In Sao Joao, dem grösseren der beiden Orte, lag der historische Kern nördlich des Flusses und liess sich gut zu Fuss besuchen. Das ganze Zentrum, wo die Mehrzahl der sehenswerten Gebäude und Strassenzüge zu finden waren, war auch hier kopfsteingepflastert. Ziemlich einzigartig war der kleine Friedhof mitten in der Innenstadt. Da dieser nur für wenige Gräber Platz bietet, wurden diese nicht nur mehrstöckig angelegt, die sterblichen Überreste müssen ausserdem bereits nach 5 Jahren wieder geräumt werden. Die Kirche Sao Francisco de Assis lag in einem Stadtteil auf der gegenüberliegenden Flussseite. Diese wies eine grosse Sammlung von geschnitzten Figuren auf, welche dem begnadeten Künstler und Baumeister Aleijadinho, genannt das Krüppelchen, zugeschrieben werden. Aleijadinho, der 1738 als Antonio Francisco Lisboa geboren wurde, war mit etwa 40 Jahren an Lepra erkrankt, wodurch er Schäden an den Armen und Händen davontrug. Seine Behinderung hielt ihn jedoch nicht davon ab, weiterhin künstlerisch tätig zu sein. Er liess sich dazu die Werkzeuge fest an die Stummel seiner Arme schnüren und arbeitete bis zu seinem Tod 1814 weiter. Einige der Kirchen in der Region wurden so nicht nur von Aleijadinho geplant, sondern auch mit seinen aus Zedernholz oder Speckstein geschaffenen Skulpturen ausgestattet.

Tiradentes machte auf uns einen viel bescheideneren und weniger pompösen Eindruck, war aber dadurch nicht weniger sehenswert. Am kleinen Hauptplatz sammelten sich die Kutscher, welche Rundfahrten durch den Ort anboten. Vor allem eindrücklich war die auf einem Hügel thronende Kirche Sao Antonio, berühmt für seine in Deutschland gebaute Orgel aus dem 18. Jahrhundert, welche auch heute noch bespielt wird. Die engen Gassen mit schön restaurierten historischen Gebäuden wurden meist umfunktioniert zu Restaurants, kleinen Boutique Hotels oder Souvenirläden, die geschmackvolle Handwerksarbeiten anboten.

Zwischen den beiden Orten Sao Joao und Tiradentes verkehrt der durch eine Dampflok betriebene Zug Maria Fumaça, die rauchende Maria. Da die Bahnlinie direkt am Campingplatz vorbeiführte, hatten wir Gelegenheit, den Zug aus nächster Nähe vorbeifahren zu sehen. 

Ouro Preto

Als die schönste und prachtvollste der Barockstädte gilt Ouro Preto, die Stadt, welche Ende des 18. Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt des Goldrausches, über 100'000 Einwohner hatte und als grösste und reichste Stadt der neuen Welt galt. Rund um den grosszügigen Praça Tiradentes gruppieren sich eindrückliche Regierungsbauten, Kirchen und Paläste. Der Ort erstreckt sich über mehrere Hügel, was uns immer wieder neue Ausblicke auf die einzelnen Stadtteile mit den über zwanzig meist gut erhaltenen Kirchen bot. Auch hier hinterliess der Bildhauer und Baumeister Aleijadinho viele Spuren seiner Tätigkeiten. Leider war das gut ausgestattete und bekannte Mineralienmuseum zum Zeitpunkt unseres Besuches geschlossen, so dass wir auf einen Besuch verzichten mussten.

Auf unserer Weiterfahrt legten wir kurze Stopps in Mariana und Santa Barbara, zwei weiteren Barockstädten, ein. Auch diese boten zwar sehenswerte historische Gebäude, konnten uns aber nach dem Besuch von Ouro Preto nicht mehr gleich begeistern.

Sanctuario do Caraça

Mitten in der wilden Bergwelt südlich von Santa Barbara gelegen, befindet sich das Kloster Sanctuario do Caraça. Rund um die Anlagen wurde ein Naturschutzgebiet eingerichtet, welches mit seinen Wandermöglichkeiten, den klaren Bächen und den Wäldern Touristen aus ganz Brasilien anlockt. Leider war es nicht möglich, auf dem Gelände des Klosters zu campen, es wurden nur Zimmer zum Übernachten angeboten. Das hiess für uns, dass wir den Ort am späten Nachmittag wieder verlassen mussten und uns so nur Zeit blieb, die Klostergebäude und die Kirche zu besichtigen. 


Nationalpark Serra do Cipo

Im Hinterland von Belo Horizonte, der drittgrössten Stadt Brasiliens, liegt der Serra do Cipo Nationalpark. Dieser 1984 gegründete Park schützt insbesondere die für diese Lage typischen Gras- und Strauchflächen sowie einige der hier lebenden Wildtiere, wie Sumpfhirsche, Ameisenbären oder Ozelote. Wir wollten den Bandeirants Canyon und den Farofa Wasserfall besuchen, welche für eine Wanderung zu weit weg lagen. Um die Distanz von 30 km schneller zurückzulegen, mieteten wir uns am Parkeingang Mountainbikes.

12 km vom Ausgangspunkt entfernt erreichten wir den Eingang zum Canyon, welcher von einem kristallklaren Fluss durchströmt wurde. Ein weiteres Eindringen in die Schlucht war nur möglich, wenn man bereit war, durch das kühle Nass zu schwimmen, um die tiefen Stellen zu überwinden. Wir beliessen es daher bei einem Blick in den Eingangsbereich und setzten unsere Tour fort. Wir blieben jedoch nicht vor nassen Füssen verschont, denn um auf den Zugangsweg am anderen Ufer des 50 m breiten Flusses zu gelangen, mussten wir das Bike durch knietiefes Wasser schieben. Während der Regenzeit, wenn der Wasserstand wesentlich höher ist, ist das Überqueren des Flusses nicht möglich.

Auf dem Rückweg legten wir einen Abstecher zum Farofa Wasserfall ein, wo das Wasser in mehreren Stufen über 240 m ins Tal hinunterstürzte. Die Pause am kühlen Pool tat unseren Hintern gut, denn das lange Sitzen auf einem schmalen Velosattel war für uns ungewohnt und die Fahrt über Stock und Stein strengte extrem an.


Gruta da Lapinha

Die Gegend nördlich von Belo Horizonte ist bekannt für seine Höhlen und wir wollten eine davon, die Gruta da Lapinha, besuchen. Nur einen Kilometer vor dem Zugang hatten wir in einem kleinen, privaten Campingplatz übernachtet. Bevor wir anderntags zur Höhle fuhren, wollte uns die Besitzerin des Platzes unbedingt das keine 300m entfernte Klettergebiet zeigen, wo ihr Mann als Instruktor arbeitete. Mitten im Wald ragten mehrere, bis zu dreissig Meter hohe Wände auf. Von relativ einfachen Routen bis hin zu den allerhöchsten Schwierigkeitsgraden wurde den Kletterern alles geboten. Wir erfuhren, dass Leute aus der ganzen Welt, selbst Profis, hierherkommen, um sich an diesen Felsen zu messen. 

Bei der Gruta kamen wir in den Genuss einer Privatführung. Unser Guide führte uns durchs Museum und erklärte uns die wichtigsten Fakten. Da der Mann nur portugiesisch sprach, wurden unsere Sprachkenntnisse auf eine harte Probe gestellt. Der zugängliche Teil der Höhle war zwar nur ein paar hundert Meter lang, die Steinformationen, die wir antrafen, waren jedoch unglaublich eindrücklich. Neben den klassischen Stalaktiten und versteinerten Wasserfällen waren vor allem die unterschiedlichen, vom Wasser in alle möglichen Formen geschliffenen Sedimentgesteine einmalig schön. 


Auf in den wilden Westen

Die Strecke von der Küste bis in den Pantanal war auf direktem Weg gute 2000 km lang. Diese Distanz, die vor uns lag, gab uns einen eindrücklichen Hinweis auf die tatsächliche Grösse von Brasilien. Als wir Belo Horizonte hinter uns gelassen hatten, war touristische Infrastruktur nicht mehr existent. Zum Übernachten boten sich jedoch die kostenlosen, gut eingerichteten Tankstellen an. Die Strasse führte stunden- oder tagelang durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet, wo in riesigen Monokulturen Mais, Zuckerrohr, Soja und in über 1000müM Kaffee angebaut wurde. Wo die Landschaft zu hügelig war für Felder, war Viehzucht vorherrschend. Die Städte und Ortschaften lagen nun weit auseinander.

Als wir die Strecke befuhren, fand ein landesweiter LKW Streik statt. An allen neuralgischen Kreuzungen und bei Raststätten rund um grössere Orte standen hunderte von Lastwagen. Die Fahrer protestierten so gegen die kürzlich markant erhöhten Dieselpreise. Der übrige Strassenverkehr und damit auch wir waren vom Streik nicht direkt betroffen, wir wurden freundlich und ohne Verzögerungen durchgelassen. Die Aktion dauerte bereits eine Woche und die ersten, gravierenden Auswirkungen wurden spürbar, denn vielen Tankstellen war bereits das Benzin ausgegangen. Da die Lastwagen alle standen und somit keinen Treibstoff benötigten, war Diesel noch problemlos zu bekommen. Wir füllten unsere Tanks vorsichtshalber, so dass wir für die nächsten 2000 km gerüstet waren. Die Versorgung mit Lebensmitteln und weiteren Gütern, die auf der Strasse transportiert wurden, gerieten nach und nach ins Stocken, was vor allem in den Ballungszentren zu massiven Problemen führte. Immerhin erreichten die LKW Fahrer mit ihrer Aktion, dass die Treibstoffpreise danach wieder gesenkt wurden.  


Emas Nationalpark

Auf dem weiten Weg nach Westen bot der Abstecher zum Emas Nationalpark eine lohnenswerte Abwechslung. Das Innere des Parks, welcher einige der selten gewordenen Tiere, wie Mähnenwölfe, Jaguare, grosse Ameisenbären etc. beherbergt, war leider nur mit einem Führer zugänglich. Wir hatten versucht, einen Guide zu organisieren, was leider daran scheiterte, dass er auf Grund des LKW Streiks keinen Treibstoff für sein Auto bekam.

So blieb uns nur, die Tierwelt, insbesondere die vielen Vögel, vom Campingplatz aus zu beobachten. Wenigstens ein paar kleine Abstecher auf den Pisten des Parks waren ohne Führer befahrbar und im Süden des Parks konnten wir einen Spaziergang zum kristallklaren Fluss unternehmen. Der Besuch lohnte sich aber auf jeden Fall schon allein, um die vielen verschiedenen Vögel in den Bäumen über unseren Schlafplätzen zu beobachten.

Beim Südeingang bekamen wir vom Parkmitarbeiter eine umfassende und detaillierte Information zu den unter Schutz stehenden Landschaften und Tieren. Er wurde dabei von seinem Zögling, einem jungen Pecari, begleitet, welches seine Mutter verloren hatte und nun vom Parkranger grossgezogen wurde. Wie ein Hündchen verfolgte das kleine Wildschwein sein Herrchen und begrüsste uns mit freudigem Grunzen. Bevor wir zum Campingplatz im Park weiterfuhren, warnte uns der Mitarbeiter, dass im Bereich des Übernachtungsplatzes am Abend zuvor eine Pumamutter mit zwei Jungen gesichtet worden war und dass wir vor allem nachts vorsichtig sein sollten. Die Pumas haben wir nicht gesehen, dafür bekamen wir Besuch von zwei Füchsen, die mehrmals in der Nähe auftauchten.

Beim Hinausfahren trafen wir tatsächlich noch auf einige Emas, die südamerikanische Straussenart und Namensgeber des Parks. 


Pantanal Nord

Nachdem wir auch die restlichen paar hundert Kilometer in Richtung Pantanal hinter uns gebracht hatten, gönnten wir uns zwei Ruhetage in einem netten Campingplatz in Chapada dos Guimaraes. Eigentlich hatten wir vorgehabt, die Umgebung etwas näher zu erkunden, mussten aber feststellen, dass fast alle Sehenswürdigkeiten auf privatem Grund lagen und diese deshalb nur mit einer geführten Tour und oft auch für teures Geld besucht werden konnten. Da wir nicht bereit waren, einen Führer zu buchen, um einen Wasserfall zu besuchen, beschränkten sich unsere Aktivitäten auf Spaziergänge im Städtchen. Wir lernten im Campingplatz eine sehr nette brasilianische Familie kennen. Die Eltern waren bereits einmal längere Zeit in ganz Südamerika unterwegs gewesen und reisten nun mit ihren zwei kleinen Buben drei Monate durch Brasilien. Wir verbrachten eine gute Zeit zusammen und veranstalteten an einem der Abende gemeinsam ein Pizzafestival, welches bei allen Anwesenden guten Anklang fand. Belegt wurden die Pizzas mit allem was die Fantasie und die Vorräte hergaben.

Vom Hochplateau auf fast 1000müM führte die Strasse steil hinunter ins feuchtheisse Cuiabà, eine Grossstadt mit über 500'000 Einwohnern. Dort füllten wir unseren Kühlschrank nochmals auf, denn anschliessend ging es endlich in den Pantanal, eines der grössten Feuchtgebiete der Erde. Das über 230000km2 grosse Schutzgebiet zählt seit 2000 zu den UNESCO Welterben. Trotzdem sind sowohl die Landschaft als auch die darin lebenden Tiere nach wir vor durch Abholzung und extensive Landwirtschaft gefährdet. Bis über Poconé hinaus war die Strasse noch geteert, danach gelangten wir auf die 150 km lange Transpantaneira.  Die aufgeschüttete Piste war in gutem Zustand und viele der zu überquerenden Brücken waren sogar betoniert. Bereits beim Eingangstor begegneten wir ersten Krokodilen, respektive Kaimanen. Unzählige Vögel aller Grössen und Gattungen sassen auf den Bäumen oder kreuzten unseren Weg. Die Tierwelt war genauso vielfältig und eindrücklich wie wir dies anhand der Reiseunterlagen und der Erzählungen anderer Reisender erwartet hatten. Nachdem wir Pixaim passiert hatten, wurde die Piste etwas rustikaler und die Brücken waren nur noch aus Holz gebaut. Als wir eine Mittagspause einlegten, hielt ein Landcruiser mit Aargauer Kennzeichen neben uns. Werner und Maggie aus Erlinsbach hatten unser Auto gesehen und angehalten. Von ihnen erfuhren wir, dass die Piste nach Porto Jofre auf den letzten 20 km wegen Bauarbeiten unpassierbar sei und dass sie deshalb umkehren mussten. Eine schlechte Nachricht für uns, denn wir sollten bereits anderntags am Mittag dort sein, um auf das gebuchte Schiff zu verladen.

Wir versuchten trotzdem durchzukommen und zum Glück stellte sich heraus, dass die Piste unterdessen wieder geöffnet war. Die letzten Kilometer waren tatsächlich noch etwas ruppig, aber die Schlammlöcher waren aufgefüllt worden und die tiefen Fahrspuren konnten uns dank genügend Bodenfreiheit nicht stoppen. Wir kamen ohne Probleme durch und erreichten die Anlegestelle nach einer weiteren Übernachtung entlang der Strecke rechtzeitig.

Wir machten es uns in der Nähe des Flusses gemütlich und konnten einer Gruppe Hyazinth Aras beim Fressen von Palmfrüchten zusehen. Auch sonst gab es viele Tiere zu beobachten, nur vom gebuchten Schiff, welches um 12.00 h eintreffen sollte, war weit und breit nicht zu sehen. Gegen Abend fuhren wir deshalb ein paar Kilometer zurück, um beim Jaguar Camp zu versuchen ins Internet zu gelangen. Ein Angestellter des Camps half uns, telefonischen mit dem Eigner des Bootes in Corumbà in Kontakt zu treten. Es stellte sich heraus, dass der Lastkahn wegen starkem Wind in der Nacht hatte festmachen müssen und deshalb verspätet, d.h. irgendwann gegen Abend eintreffen sollte.

Wir fuhren zurück zum Landungssteg und kurz vor 19 Uhr klopfte einer der Mannschaft der Laura Vicuna an unser Fenster und informierte uns, dass sie am gegenüberliegenden Flussufer festgemacht hatten und uns um 5 Uhr morgens abholen würden.


Eine Schifffahrt die ist lustig

Pünktlich wie abgemacht, wurden wir durch den Motorenlärm des Beiboots geweckt. Nachdem die Mannschaft die beim Anleger vertäuten Boote weggeräumt hatte, konnte das Lastschiff anlegen. Innert Minuten war alles zum Beladen vorbereitet und Ueli konnte den Landcruiser über zwei Holzplanken auf das Deck manövrieren, wo in einer Ecke Platz für unseren Camper geschaffen worden war.

Noch in völliger Dunkelheit legten wir ab und tuckerten flussabwärts. Da unser Auto am anderen Ende des Pontons, also ausser Reichweite des Motors, geladen worden war, hörten wir nichts ausser dem Plätschern des Wassers. In unzähligen Schlaufen ging die Fahrt den etwa 150m breiten, von Urwald gesäumten Rio Cuiabà hinunter. Von Zeit zu Zeit kamen wir an einfachen Fazendas vorbei, deren Bewohner in erster Linie vom Fischfang leben. Die Mannschaft betätigte sich während der Fahrt auch als Händler für die Fischer. Immer wieder fuhren sie mit dem Beiboot ans Ufer, um den lokalen Fischfang entgegen zu nehmen und an Bord in einer Kühltruhe zu lagern oder die Fischer selber kamen längsseits, um ihren Fang abzuliefern

Vor dem Zusammenfluss des Rio Cuiabà mit dem Rio Paraguay verlief die Fahrt entlang der Südgrenze des Nationalparks Pantanal. Ausser einer Ansammlung von Gebäuden, in welchen die Parkverwaltung untergebracht war, änderte sich an der Landschaft nicht viel. Dieser Teil des Parks ist kaum besucht, da die Anfahrt von überall her nur über einige hundert Kilometern Flussfahrt möglich ist. Als wir auf den Rio Paraguay trafen, tauchten im Westen grössere Berge mit kahlen Felsflanken auf, die trotz der einsetzenden Dämmerung deutlich sichtbar waren. Unser Kapitän setzte die Fahrt bei auch bei absoluter Dunkelheit sicher und problemlos fort.

Beim ersten Tageslicht erwachten wir. Das Boot war offenbar noch bis spät unterwegs gewesen und hatte irgendwann für einige Stunden am bewaldeten Ufer festgemacht. Bald waren wir wieder unterwegs und das Schiff bog nach Nordwesten in einen Seitenarm ein. Es stellte sich heraus, dass hier die angekündigten Rinder an Bord genommen werden sollten. Der Ponton wurde abgekoppelt, seitwärts am Ufer vertäut und alles wurde für das Laden der Kühe vorbereitet.  Dann hiess es erst einmal warten

Wie während der ganzen Fahrt, die Vollpension einschloss, wurde uns auch heute vom Koch ein Mittagessen serviert. Es bestand, wie konnte es anders sein, aus frisch gefangenem, sehr schmackhaft zubereitetem Flussfisch und Reis. Im Laufe des Nachmittags ertönten plötzlich die Rufe der Gauchos und die 130 Rinder kamen angestürmt. Sie wurden in einen Pferch und von dort aus ohne Verzögerung in 12er Gruppen durch den Beladesteg aufs Schiff getrieben. Anfangs waren die Tiere noch sehr nervös, scharrten und muhten unruhig, gewöhnten sich jedoch rasch an die neue Situation.

Aus den angesagten sechs Stunden bis Corumbà wurden schliesslich deren neun. Wieder fuhren wir in die Nacht hinein, der Himmel war bedeckt und am Ufer war kaum einmal ein Licht zusehen. Wir fragten uns, wie der Kapitän bei diesen Verhältnissen navigieren konnte.  Dieser schien sich seiner Sache allerdings sehr sicher zu sein und fuhr ohne zu zögern den ihm bestens bekannten Fluss hinunter. Es war schon gegen 10 Uhr nachts, als die Lichter von Corumbà den Himmel, von weit her sichtbar, rot leuchten liessen. Kurz vor Mitternacht legte das Schiff am Ufer an, dort wo am nächsten Morgen die Tiere von Bord geschafft werden sollten. Wir verbrachten die letzte Nacht auf dem Schiff zusammen mit den 130 zusätzlichen Nachbarn. Immer wieder schienen die Kühe durch irgendetwas aufgeschreckt zu werden und bewegten sich polternd auf dem Stahldeck, beruhigten sich jedoch rasch wieder.

Bei Tagesanbruch wurde die Mannschaft aktiv und bereitete die Entladung vor. Wie bereits beim Laden wurde das Vieh gruppenweise von Bord getrieben. Dabei reichte es, dass eines der Tiere den Weg zu fand, wonach alle anderen freiwillig hinter diesem her stürmten. Zum Glück wussten die Rinder nicht, was ihnen bevorstand, sonst hätten sie sich bestimmt geweigert, das Schiff zu verlassen.

Nachdem dieser Teil der Ladung gelöscht war, begann die Mannschaft das Deck zu säubern, während wir flussaufwärts zur Stadt fuhren. Dort angekommen, musste der Kapitän das Boot auf engstem Raum zwischen andere Lastkähne manövrieren, um an die Anlegerampe zu gelangen, über welche schliesslich auch wir von Bord fahren konnten.

Lust bekommen das Abenteuer auch zu wagen?

Dazu kontaktiert man Capitao Lopez via WhatsApp auf der Nummer +55 67 9605 7270 und gibt ihm den Wunschtermin und die Route bekannt. Daraufhin wird er prüfen, wann die passende Passage erfolgen kann. Der Weg kann sowohl von Nord nach Süd oder umgekehrt von Porto Jofre nach Corumbà gefahren werden. Wie lange die Fahrt dauert, hängt davon ab, in welche Richtung sie geht und wo noch zusätzlich Ladung aufgenommen bzw. gelöscht werden muss. Grundsätzlich muss mit mindestens 30 h gerechnet werden, es kann aber auch mal 3 Tage dauern. Man sollte also etwas Geduld und Flexibilität mitbringen. Uns kostete der Spass 900 USD, nicht zuletzt auch weil das Schiff leer nach Porto Jofre hochfahren musste, um uns abzuholen. Die Art der transportierten Güter variiert je nach Aufträgen, wir hatten das Boot bis gegen Ende der Strecke, als die Rinder an Bord kamen, für uns allein. Im Preis inbegriffen ist, wie bereits erwähnt, die Verpflegung aus der Bordküche. Diese ist einfach, aber schmackhaft. Ein Luxuskreuzfahrer ist das Schiff mit Sicherheit nicht, aber immerhin gibt es getrennte WC für Männlein und Weiblein ;-) und ohne Zweifel eine grosse Portion Abenteuer.

Der Fahrpreis mutet vielleicht etwas hoch an! Wenn man jedoch bedenkt, dass die Strecke nach Corumbà, auf der Strasse zurückgelegt, rund 1500km lang ist, relativieren sich die Kosten erheblich. Zudem liesse sich über den Preis sicher verhandeln, wenn mehrere Fahrzeuge gleichzeitig die Passage buchen. 


Pantanal Süd

Eigentlich hatten wir geplant, die Estrada do Parque zu fahren. Diese Piste bildet das Gegenstück zur Transpantaneira im Norden. Wir hatten jedoch schon im Vorfeld gehört, dass die Fähre über den Rio Paraguay vor Juli den Betrieb nicht aufnehmen konnte. Zudem hatten andere Reisende berichtet, dass die Strecke teilweise noch überflutet war. Diese Informationen schienen richtig zu sein, denn im Westteil, wo wir starteten, stand das Wasser so tief, dass ein Durchkommen nicht möglich war. Und wenn, hätten wir spätestens an der Fähre umdrehen müssen.

Wir fuhren soweit in das Gebiet hinein, wie es die Verhältnisse zuliessen und bereits dieser kurze Abstecher sollte sich durchaus lohnen. Auch hier durchfuhren wir zum Teil 50cm tiefes Wasser, was genug Nervenkitzel auslöste, da weder Löcher noch Steine in der Fahrbahn sichtbar waren. Neben unzähligen Wasservögeln, Kaimanen und Capybaras erblickten wir doch tatsächlich am helllichten Tag einen der seltenen Riesenameisenbären!! Dieser wanderte gemächlich durch das hohe Gras am Strassenrand und liess sich nicht stören, als wir ausstiegen, um zu fotografieren. Kurz danach, bereits wieder auf der Teerstrasse, entdeckte Myrta in der Wiese einen ausgewachsenen Tapir und eine grasende Sumpfhirschkuh. Wir kamen also auch ohne die ganze Strecke zu fahren, auf unsere Rechnung in Bezug auf Tiere.

Auf den Nieselregen, welcher die Laterit Piste aufgeweicht hatte, hätten wir jedoch gerne verzichtet. Nur 20 km auf dieser mit rotem Schlamm bedeckten Strecke hatten gereicht,  um das ganze Auto wieder einmal so richtig von oben bis unten zu verspritzen. Das sah zwar cool und abenteuerlich aus, war jedoch höchst unpraktisch, da unsere Hände oder Kleider bei jeder Berührung mit der Carrosserie genauso rote Spuren abbekamen.


Refugio Canaa

Von Julio, dem Brasilianer, den wir in Chapada dos Guimaraes kennen gelernt hatten, erhielten wir den Tipp, diesen Ort zu besuchen. Er schwärmte von diesem Campingplatz, welcher am Ende eines kleinen Tales am Rio Salobra gelegen ist. Wir bogen also ein paar Kilometer südlich von Bodoquena von der MS178 ab und folgten der Beschilderung. Nach etwa 20km Piste durch den Dschungel erreichten wir das Refugio und waren vom ersten Moment an beeindruckt von der Anlage. Die Stellplätze waren ausgestattet mit einem eigenen Unterstand mit Grill, Abwaschbecken, einem Gaskocher, Licht und Strom. Die WC- und Duschanlagen waren nicht nur sauber, sondern sehr schön gestaltet und mit hochwertigen Einrichtungen versehen. Ausser den von Douglas Tompkins errichteten Campingplätze hatten wir in Südamerika noch keine vergleichbaren Anlagen gesehen.

Wir wurden von einer Angestellten freundlich willkommen geheissen und herumgeführt, um uns die Einrichtungen zu zeigen. Auf unserem Rundgang machte sie uns zudem mit Esmeralda bekannt, einem schönen Hyazinth Ara, der auf dem Gelände lebt. Der Vogel liebte es, auf dem Arm sitzend herumgetragen zu werden und liess sich nur ungern wieder absetzen, wenn ihr Gewicht mit der Zeit den Träger ermüdete. Zur grosszügig angelegten Einrichtung gehörten ausserdem viele Tiere wie Pfauen, Truthähne, Enten, Perlhühner und ein paar zutrauliche Emas, welche immer wieder bei uns vorbeischauten. Auch unzählige freilebende Vögel wie Aras, Papageien oder Tukane waren zu beobachten und in den Bäumen turnten Kapuzineraffen.

Leider war das Wetter nach wie vor kalt und verhangen, so dass uns das Baden im kristallklaren Fluss, welcher am Refugio Canaa vorbeifloss, nicht wirklich reizte. Wäre das Wetter einladender und wärmer gewesen wie noch vor ein paar Tagen, wären wir mit Sicherheit länger als zwei Tage an diesem paradiesischen Ort geblieben.

Auch die Umgebung des Refugio hatte einiges zu bieten. Wir unternahmen eine kurze Wanderung weiter in das Tal hinein, wo nach etwa einem Kilometer der eindrückliche Wasserfall Cachoeira Boca de Onça über die steile Felswand stürzte. Der Weg führte durch dichten, unberührten Wald dem Fluss entlang, vorbei an weiteren kleinen Wasserfällen.



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