Die Karte kann beliebig gezoomt werden, so dass die Details besser ersichtlich sind.


Durch Italien und Österreich

Was?? Italien und Österreich?!?! Klar, um von der Schweiz nach Skandinavien zu gelangen, fährt man in der Regel nicht zuerst in Richtung Süden. Da wir aber schon recht früh im Jahr starten wollten und vor Kurzem erst den Norden Österreichs besucht hatten, beschlossen wir durchs Südtirol zu fahren, eine Region die im Frühling speziell reizvoll sein soll.

Aufgrund des bei uns noch kalten und regnerischen Wetters verschoben wir den Start um zwei Tage und starteten schliesslich am Freitag gegen Mittag. Unser Plan war es, am ersten Reisetag bis kurz nach der Grenze in Südtirol zu fahren. Bei unserer Abfahrt nieselte es kalt aus einem grauen Himmel. Der Wetterbericht versprach jedoch Besserung und tatsächlich zeigte sich ab Zürich immer häufiger die Sonne und die Temperaturen stiegen allmählich an.

Der Flüelapass war noch im Winterschlaf, deshalb überquerten wir die Alpen ein erstes Mal über den Julierpass. Auf der Höhe lag noch haufenweise Schnee, während im Oberengadin nur noch einige weisse Flecken zu sehen waren. Die Seen waren zwar noch zugefroren, aber erste offene Stellen zeigten sich bereits. Ohne viel Verkehr erreichten wir bei nun meist sonnigem Wetter Zernez, wo wir Richtung Ofenpass und Schweizer Nationalpark abbogen. In Taufers, direkt nach der italienischen Grenze, wollten wir eigentlich frei stehend übernachten. Aber bereits am Ortseingang wurde klar signalisiert, dass wild Campieren in dieser Gemeinde nicht erwünscht ist. Wir fuhren daher etwas weiter bis nach Glurns, wo wir uns im sympathischen Camping im Park einrichteten. Auf Nachfrage beim Manager empfahl er uns, im Restaurant Flurin zu essen. Ein Rundgang durch das hübsche Städtchen zeigte uns bald, dass um diese Jahreszeit viele andere Gaststätten noch geschlossen waren. Der kleine Ort wird noch immer fast gänzlich von einer Stadtmauer umschlossen und die wenigen Gassen sind von alten Häusern gesäumt. Wir fanden das empfohlene Restaurant ohne Probleme und genossene erstmal einen Apéro. Da wir wie üblich nicht viel zu Mittag gegessen hatten, gingen wir nahtlos zum Nachtessen über. Das ausgezeichnete Restaurant wartete mit einer nur kleinen, aber feinen Karte auf. Die kreativen Spezialitäten wurden nach einem feinen Amuse Bouche elegant serviert. Die Gerichte waren so gut, dass in Myrta's Salat sogar eine winzige Schnecke mitessen wollte. Dies war dem Kellner natürlich unglaublich peinlich, wir liessen uns das feine Essen aber trotzdem schmecken.

Im Meran legten wir einen morgendlichen, kurzen Zwischenhalt ein und schlenderten durch die schöne Innenstadt. Es waren erstaunlich viele Leute unterwegs, sicher nicht zuletzt, da Samstag war. Die Stadt lebt vom Tourismus, entsprechend bestehen die Hauptangebote aus exklusiven Läden und Restaurants. Uns zog es weiter. Wir wählten die «Abkürzung» über den Jaufenpass. Bereits auf der Fahrt entlang des Passeiertals wurde uns aufgrund der tiefliegenden Wolken klar, dass mit schöner Fernsicht wohl nicht zu rechnen wäre. Unser Land Cruiser kämpfte sich tapfer die steile Strasse hoch. Wie erwartet, tauchten wir wenige Kilometer vor der Passhöhe in dichten Nebel ein. Die Landschaft zeigte sich noch grossen Teils im Winterkleid, hohe Schneemauern säumten die Strasse. Die Sichtweite  betrug keine 50 m, so gab es für uns leider nicht viel zu sehen. Bereits nach wenigen Kilometern bergab zeigte sich der Frühling wieder und die Wolken lagen hinter uns.

Durch das Pustertal erreichten wir Toblach und überquerten bald darauf die Grenze zu Österreich. Auf einer Nebenroute stieg die Strasse durch die Karnischen Dolomiten noch einmal bis auf 1500 müM an. Kurz darauf inspizierten wir einen möglichen Übernachtungsort an einem Fluss, verwarfen die Idee aber, da es noch etwas früh war und zudem die Höhenlage eine frostige Nacht versprach. In Kötschach checkten wir in einem Campingplatz ein und genossen noch ein paar Sonnenstrahlen bei angenehmer Temperatur.


Weiter bis Ungarn

Unser nächstes Zwischenziel war der Wörthersee und das in der Nähe liegende Klagenfurt. Den See mussten wir vergessen, da die Strassen drum herum wegen eines Fahrradrennens allesamt gesperrt waren. Mit einem kleinen Umweg erreichten wir Klagenfurt. Wie erwartet, lohnte sich der Zwischenhalt für einen Spaziergang durch die elegante und grosszügig angelegte Altstadt. Vor allem die Gassen um den Neuen und auch den Alten Platz sind sehenswert. Da Sonntag war, erstanden wir in einer gediegenen Bäckerei ein feines Brot für das morgige Frühstück und zogen weiter.

In Völkermarkt und kurz darauf in Wolfsberg erkundeten wir die malerischen, kleinen Stadtzentren. Noch ein letztes Mal für längere Zeit musste danach der Toyota weit über tausend Höhenmeter überwinden. Da keine weiteren Zwischenziele mehr auf dem Tagesprogramm waren, liessen wir  uns vom Navi ostwärts führen. Um nach Ungarn zu gelangen, durchquerten wir einen Zipfel Sloweniens und nutzten die Gelegenheit, dort unsere Dieseltanks mit günstigem Treibstoff zu füllen. Die Grenze überquerten wir mitten in einem Wald. Hätte  nicht eine EU Tafel am Strassenrand gestanden, hätten wir wohl nicht bemerkt, dass wir nun in Ungarn waren. In einem Naturschutzgebiet hatte Ueli bei der Routenplanung einen Ort entdeckt, den wir anfahren wollten, um dort zu übernachten. Mitten im Wald, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Österreich, wurde zu Zeiten der UDSSR hier ein Holz-Denkmal in Form eine Stele errichtet. Diese sollte daran erinnern, dass die Ungarn nur bis dorthin und nicht näher an die Grenze heran gehen durften. Wir verbrachten einen gemütlichen Abend bei unterdessen angenehmen 26 °C und Sonnenschein.

Auf nach Budapest

Durch frühlingsgrüne Wälder, mehrere kleine Dörfer und schliesslich über gut ausgebaute Strassen erreichten wir Heviz. Dort besuchten wir eines der wohl grössten Thermalbäder der Welt. Aus einer tiefen Grube strömt das leicht schweflige Wasser aus der Erde in einen über hundert Meter grossen See. In dessen Zentrum, direkt über der heissen Quelle wurden in den 1960er Jahren verschiedene Gebäude errichtet, welche mit Terrassen und Restaurants zum verweilen einladen. Auch rund um den See kann man es sich auf gepflegten Rasenflächen gemütlich machen. Das Bad ist etwas in die Jahre gekommen, lockt aber immer noch, wie die vielen anderen Thermen in der Region, viele Leute aus Nah und Fern an. Nachdem wir uns erfrischt hatten, fuhren wir die wenigen Kilometer bis nach Keszthely, dem direkt am Westende des Balaton oder Plattensees gelegenen Kurort. Der Uferpromenade entlang schlenderten wir zum langgezogenen Kai hinaus und bewunderten das türkisfarbene Wasser des riesigen Sees.

Wir fuhren weiter am Nordufer bis zu einer markanten Halbinsel, welche bis weit über die Seemitte hinausragt. Dort besichtigten wir das sehr beliebte Dorf Tihany. Der malerische Ort ist bekannt für seine grosse Zahl typischer Häuser der Region. Leider sind die meisten dieser historischen Bauten zu Restaurants und Souvenirläden ausgebaut worden, sodass der Charakter eines richtigen Dorfes etwas verloren gegangen ist. Von der Terrasse neben der Kirche geniesst man eine herrliche Aussicht auf den Plattensee. Der Blick über die Längsachse des Sees vermittelt den Eindruck, auf das Meer hinauszuschauen.

 

Die Hauptstadt Ungarns lag nur noch gute zwei Fahrstunden entfernt, also beschlossen wir, bis Budapest weiterzufahren. Wir erreichten den stadtnahen  Campingplatz Haller im Laufe des Nachmittags und waren froh, frühzeitig eingetroffen zu sein, denn der Platz war trotz Nebensaison gut belegt. 

Budapest an der schönen, blauen Donau

Am nächsten Morgen fuhren wir mit Tram und Metro ins Zentrum. Als Senioren kamen wir dabei in den Genuss von freier Fahrt auf allen ÖV in ganz Budapest. Wir hatten eine sogenannte Free-Tour gebucht und trafen unseren Guide bei der evangelischen Kirche. Diese Touren sind unterdessen in vielen Städten auf der ganzen Welt verfügbar. Die Führer sind meist einheimische junge Leute, welche einen wirklich guten Job machen. Ihr Einkommen verdienen sie ausschliesslich mit den Trinkgeldern der Gäste.
Der Rundgang dauerte zweieinhalb Stunden. Dabei entdeckten wir einige eher unbekannte Sehenswürdigkeiten und viel Interessantes, was wir alleine nie gesehen hätten. Zum Beispiel zeigte uns der Führer eine kleine Bärenskulptur an der Fassade der seit Jahren leerstehenden, ehemaligen britischen Botschaft. Der lokale Künstler Mihaly Kolodko hat dort anlässlich des Brexit ein Abbild vom Teddybären des bekannten Mr. Bean hinterlassen. Die Tour endete beim Parlament, nach dem Regierungsgebäude in Bukarest das grösste Gebäude seiner Art. Direkt daneben, am Ufer der Donau, hat die ungarische Regierung, vor einigen Jahren das sog. Schuh Denkmal errichten lassen. Die aufgereihten rund 80 Paar Schuhe sollen symbolisch an die vielen Juden erinnern, welche im 2. Weltkrieg von den Nazis an dieser Stelle gezwungen wurden, sich nackt auszuziehen, um dann erschossen und in die Donau geworfen zu werden.

Wir bestiegen anschliessend den Bus, um zum Schloss auf der Buda Seite der Donau zu gelangen. Von der weitläufigen Anlage aus geniesst man eine wunderbare Aussicht auf den Stadtteil Pest. Rund um den Königspalast und die Fischerbastei hat sich im Laufe der Geschichte ein ganzer Stadtteil entwickelt, der sich auch heute noch weitgehend im Originalzustand zeigt. Viele der historischen Gebäude waren zur Zeit unseres Besuches eingerüstet, da sie renoviert wurden. 

Nach einem weiteren Abstecher ins Judenviertel genossen wir einen feinen Apéro in einer der vielen trendigen Bars im Zentrum Budapests und schlossen schliesslich unsern Stadtrundgang in der Markthalle ab. Der imposante Stahlbau beherbergt unzählige Marktstände, in welchen die ganze Palette an lokalen Lebensmitteln, aber natürlich auch für die Bedürfnisse der Touristen, angeboten werden. 

Bis zur Slowakei

Wir verliessen die Hauptstadt Ungarns über die Landstrassen. Nachdem die riesige Agglomeration hinter uns lag, verminderte sich der Verkehr zusehends und nur noch wenige kleine Ortschaften lagen am Weg. Unseren Plan, Lebensmittel für die Weiterreise einzukaufen, mussten wir aufgeben, da am 1. Mai alle Läden geschlossen waren.
In Hollokö, einem kleinen Ort, welcher fast vollständig aus typischen Bauernhäuser der Region besteht, legten wir einen Halt ein. Dank seines intakten Ortsbildes wurde das Dorf ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Dadurch hat auch hier der Tourismus Einzug gehalten, jedoch lange nicht so aufdringlich wie rund um den Plattensee. Die Restaurants und Läden, wurden dezent in den bestehenden Gebäuden integriert. Wir verlängerten den Rundgang und stiegen zur Burg auf, welche hoch über dem Dorf thront und Aussicht auf die ganze Region bietet.

Die Route führte nun oft nahe an der slowakischen Grenze entlang, meist durch bewaldete Hügellandschaften. Bei der Routenplanung hatte Ueli eine Gegend entlang der Strecke entdeckt, welche interessante Felsformationen versprach. Wir nutzten die Gelegenheit, uns die Füsse etwas zu vertreten. Mithilfe der Detailkarte suchten wir einen Weg, um mit dem Auto möglichst in die Nähe zu gelangen und landeten plötzlich in einer steilen Weide, auf welcher nur noch einige vage Autospuren zu erkennen waren. Wir parkten den Land Cruiser und stiegen zu Fuss zu einer Hügelspitze hoch. Die bewaldete Kuppe war an mehreren Stellen richtiggehend aufgebrochen und tiefe, enge Risse durchzogen den Wald. Auf dem Rückweg kamen wir an einem ehemaligen Steinbruch vorbei, wo auf einer Infotafel die geologische Eigenart des Berges und der Grund für den Abbau des Materials erklärt wurde. Es soll sich dabei um den Kern eines alten Vulkans handeln, dessen erkaltete Basaltmasse einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Magnetit aufwies, so dass die Grube rentabel betrieben werden konnte. 

 

Schon früh am Nachmittag richteten wir uns an einem kleinen See für die Übernachtung ein. Der Platz ist sehr schön gelegen und absolut ruhig. Ringsherum hörten wir unzähliger Vögel zwitschern und am Seeufer waren die Spuren eines Bibers zu entdecken. Ein kleines Paradies, welches wir nach dem hektischen Stadtcampingplatz doppelt schätzten.

Domica Höhlen

Nach einer guten halben Stunde Anfahrt erreichten wir Aggtelek, unmittelbar an der slowakischen Grenze gelegen. Hier wandelten wir die verbleibenden Forint in Diesel um und fuhren zum Eingang der Baradla Höhle. Diese ist ein Teil des riesigen, grenzüberschreitenden Domica Systems. Nach kurzer Wartezeit konnten wir mit der nächsten Führung die Höhle besichtigen. Mangels anderer Sprachkenntnisse erklärte der Guide alles in Ungarisch, obwohl 90 % der Gruppe nicht aus Ungarn stammten. Die sehr eindrücklichen Tropfsteinformationen sprachen jedoch für sich,  so dass wir die Höhlentour auch so geniessen konnten. Der Rundgang dauerte etwa eine Stunde und bot, je näher wir zum Ausgang kamen, immer spektakulärere Hallen und Skulpturen.

Im nächsten grösseren Ort, nachdem wir die slowakische Grenze passiert hatten, holten wir unseren Einkauf nach und wunderten uns dabei über die günstigen Preise. Das Angebot im Supermarkt konnte zudem durchaus mit unseren Läden schritthalten. Da es sich beim gewählten Geschäft um eine Kaufland Filiale handelte, waren die Waren sogar mehrheitlich auch deutsch angeschrieben. 

Nationalpark Slowakisches Paradies

Unsere Tagesetappe sollte uns bis zum Nationalpark Slowakisches Paradies bringen. Wir erreichten unser Ziel durch den Hintereingang, auf einer schmalen Bergstrasse, welche sich erst auf über 1000 müM hochschraubte, um dann kurvenreich ins Tal zu führen. Im riesigen Campingplatz von Podlesok fanden wir problemlos einen Standplatz, obwohl dieser wegen des langen 1. Mai Weekends gut belegt war. Im nahen Gartenrestaurant genossen wir einen kühlen Apero und wunderten uns einmal mehr, dass wir für ein 3 dl Glas gutes, frisch gezapftes Bier gerade mal 1.50 Euro bezahlten.

 

Der Nationalpark bietet unzählige Wanderrouten an und eine der beliebtesten startet direkt am Campingplatz. Bei der Zutrittskontrollstelle (der Eintritt ist im Campingpreis bereits enthalten), zeigt eine Bilderwand ein paar Eindrücke dieser Sucha Bela Wanderung. Nachdem Myrta schon zuvor skeptisch war, ob diese Schluchtenwanderung für sie geeignet ist, gab sie nun angesichts dieser Fotos mit den steilen und ausgesetzten Leitern definitiv Forfait und machte sich statt dessen allein auf eine weniger stressige Tour auf. Ueli nahm den abenteuerlichen Weg trotzdem unter die Füsse, wobei von einem richtigen Weg nicht gesprochen werden kann, man folgt einfach dem Bachlauf stetig bergan. Dort wo man dem Wasser nicht ausweichen kann, wurden horizontale Holzleitern oder aber im Fels verankerte Metalltritte installiert. Es zeigte sich, dass viele der Wanderer mit dem rauen Terrain Mühe hatten und unbeholfen durch die Schlucht stolperten. Beim erster grossen Hindernis staute sich entsprechend der Fussverkehr. Gegen 50 Leute mussten jeweils vor den langen und steilen Leitern warten, bis die unsicheren Berggänger vor ihnen das Hindernis überwunden hatten. So gelangte man über mehrere Leitern durch eine schmale Felsrinne und an kleinen Wasserfällen vorbei, etwa 50 m höher. Dort wurde das Bachbett wieder flach und die Leute verteilten sich zusehends, sodass man den Eindruck hatte, alleine unterwegs zu sein. Trotz der halben Stunde Wartezeit, erreichte Ueli schliesslich nach zwei Stunden das obere Ende des Wanderweges. Nach einer kurzen Pause ging es erst einer Waldstrasse entlang, dann wieder auf kleinen Pfaden hinunter ins Tal und zurück zum Camp.

Südliches Polen

Unser nächstes Ziel war die Hohe Tatra auf der polnischen Seite der Bergkette. Schon von weitem dominierten die Berge die Landschaft. Wir umfuhren sie auf der Ostseite und erreichten bald die polnische Grenze. Wir hatten ja erwartet, dass das lange 1.Mai Wochenende mehr Besucher anziehen würde, insbesondere da die Hohe Tatra die einzigen «richtigen» Berge im weiten Umkreis sind. Dass aber die wirklich grossen Parkplätze am Zugang zu den Wanderwegen im Ostteil des Nationalparks derart überfüllt sein würden, damit hatten wir nicht gerechnet. Da es für eine grössere Wanderung ohnehin schon zu spät war, setzten wir unsere Fahrt Richtung Zakopane fort. Im Minutentakt kamen uns dabei Shuttlebusse mit noch mehr Wanderfreudigen entgegen. Entlang der Strasse war jeder noch so kleine Parkplatz belegt und der Verkehr versprach ein wahres Parkchaos. An ein Anhalten unterwegs war daher gar nicht zu denken. Auch Zakopane war demzufolge total verstopft und überfüllt, also versuchten wir gar nicht erst, dort einen Campingplatz zu finden Wir drehten folglich nach Norden ab, in der Hoffnung, dem Trubel zu entkommen und steckten trotzdem nach Kurzem in einem Stau. Nur noch stockend und im Schritttempo ging es vorwärts und wir fragten uns, wie das wohl am Sonntagabend aussehen wird, wenn sich die ganzen Besucher auf den Rückweg machten. Sobald wir konnten, wichen wir auf Nebenstrassen aus, wo wir wieder unsere Ruhe hatten. 

In der kleinen Gemeinde Debno besuchten wir die Erzengel Michael Kirche. Das komplett aus Holz gebaute Gotteshaus wurde seit der Errichtung im 16. Jahrhundert kaum verändert und steht aufgrund seiner Einmaligkeit auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbe. Umso erstaunlicher war es, dass kaum andere Besucher anzutreffen waren. Auch die sonst bei solchen Sehenswürdigkeiten typischen Souvenirstände und Hamburgerbuden fehlten. Leider konnten wir die Kirche nur von aussen besichtigen, einzig durch ein Schmiedeeisengitter des Seiteneingangs konnten wir einen Blick auf die schönen Malereien im Inneren werfen.

Kaum waren wir wieder auf der Hauptstrassen Richtung Krakau, steckten wir erneut im Stau, und diesmal so richtig. Für 5 km brauchten wir über zwei Stunden, erst danach konnten wir auf kleinste Nebenstrassen ausweichen und zügiger weiter fahren. Gegen Abend fanden wieder ein schönes Wildcamp an einem Fluss. Der Zugang zu diesem Platz ist definitiv nur für kleine Fahrzeuge mit sehr guter Bodenfreiheit möglich. Ausser uns waren lediglich zwei junge Fischer vor Ort, welche sehr erfolgreich ihre Angel auswarfen und mehrere schöne Fische herauszogen, die sie jedoch wieder in Freiheit entliessen.

Krakau

Bis nach Krakau hatten wir noch etwa eine Stunde zu fahren. Das Wetter war nach wie vor herrlich sonnig und warm. Wir fanden einen idealen Parkplatz unterhalb der Burg und waren so nur wenige Schritte von der Altstadt entfernt. Es waren erstaunlich viele Leute unterwegs, wobei der Sprache nach zu urteilen, die meisten Besucher polnischen Ursprungs waren. Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Krakau sind die ursprünglich aus dem 13. Jh. stammenden Tuchhallen, welche direkt am imposanten Marktplatz Rynek Glowny stehen. Anstelle von Tuchhändlern besiedeln heute Souvenirstände und Restaurants die Lauben und Gänge des eindrücklichen Bauwerks. Im Norden Krakaus sind grosse Teile der Stadtmauer erhalten geblieben. Neben dem beeindruckenden Theater aus dem 19. Jh. bildet die 1347 eingeweihte Marienkirche einen weiteren Höhepunkt auf dem Stadtrundgang. Wir schlenderten weiter durch die breiten, gepflegten Strassen der Innenstadt. Bei zwei Kirchen, die wir passierten, waren Gottesdienste im Gange.  Hunderte Menschen, welche offenbar keinen Platz gefunden hatten, warteten in den Strassen. Alle waren festlich gekleidet und  hatten Körbe mit verschiedenen Gaben dabei. Nachdem der Mai in der kath. Kirche der Marien-Monat ist, nahmen wir an, dass das Fest zu Ehren der Muttergottes gefeiert wurde. Zum Schluss unseres Rundganges stiegen wir zum Schlossberg hoch. Die riesige Anlage beherbergt mehrere Museen und Wehrtürme sowie die grosse, über 1000 jährige Wawel Kathedrale. Von einer Terrasse aus hat man einen schönen Ausblick auf die Weichsel, welche die Stadt im Süden umfliesst.

Die Route führte nun auf Landstrassen immer weiter westwärts. Auf dem Abstecher zu einer weiteren schönen Kirche in Stara Wies stiessen wir überraschend auf eine Fähre, welche die Fahrzeuge über einen Fluss brachte. Die besuchte Kirche war im Aufbau sehr ähnlich wie jene in Debno, mit eben so prächtig ausgeschmücktem Innenraum.

Wir hatten geplant, die ehemaligen Konzentrationslager von Auschwitz und Birkenau zu besuchen. Das ging aber so ziemlich in die Hose. Zuerst wollten wir den Besuch in Birkenau beginnen. Dort wurden wir informiert, dass wir erst mit dem Shuttlebus zum ehemaligen Lager Auschwitz I fahren müssen, um dort Tickets zu besorgen. Diese sind zwar gratis, aber am Eingang vorzuweisen. Da wir nicht bereits im Vorfeld online gebucht hatten, hätten wir zusammen mit hunderten weiterer Besuchern am Schalter anstehen müssen. Zudem waren an diesem Tag bereits alle Zeitfenster bis 16 Uhr, also min. zweieinhalb Stunden später, bereits ausgebucht. Auf dem riesigen Busparkplatz wartete bereits eine grosse Anzahl Gruppen, die zum Eingang transportiert werden wollten. Unter diesem Umständen verzichteten auf den Besuch und fuhren mit dem Shuttle zurück nach Birkenau. Immerhin konnten wir mit einem Blick durch den Stacheldrahtzaun die gigantischen Ausmasse erahnen, die diese furchtbare Einrichtung zur Judenvernichtung gehabt haben muss. Auch wenn nur wenige der Gebäude erhalten sind, vermittelt die Grösse des Areals einen Eindruck darüber wie viele Menschen hier gelitten haben. Ziemlich bedrückt ginge wir zu unserem Auto zurück und setzten die Reise fort.

Ein Abstecher nach Nordosten brachte uns zu einem geologischen Phänomen, der Bledow Wüste von Dabrowa. Mitten in einer waldigen Zone liegt eine ca. 32 km2 grosse Sandfläche, auf welcher kaum Vegetation wächst. Ursprünglich soll das von Gletschern geformte Gebiet über 130 Quadratkilometer gross gewesen. Die Eisschichten hinterliessen bis zu 70 m dicke soll die Sandhaufen, auf welchen sich im Laufe der Zeit ein Wald ansiedelte. Nachdem der Mensch diesen nach und nach abgeholzt hatte, blieb diese karge Sandwüste zurück.

 

Wir wollten noch ein Stück Richtung Westen weiterfahren und uns einen dann Übernachtungsplatz suchen. Dies stellte sich als kleine Odyssee heraus, denn vier der angefahrenen Park4Night Plätze waren entweder für uns unpassend oder es waren noch immer viele Leute unterwegs, sodass wohl erst spätabends Ruhe eingekehrt wäre. Schliesslich fuhren wir irgendwo in den Wald, parkten auf einer kleinen Lichtung und verbrachten eine ruhige Nacht.

Breslau

Nach etwa drei Stunden Fahrt erreichten wir am nächsten Tag Breslau. Wir richteten uns auf dem Stadtcamping beim Olympia Stadion ein und fuhren später mit dem Tram ins Zentrum. Einmal waren wir über den Grad der Digitalisierung in diesem Land überrascht. Überall in den Trams sind kleine Zahlstationen vorhanden. Auf dem Bildschirm kann die Art und Anzahl der Tickets gewählt werden, zur Bezahlung wird die Kreditkarte ans Lesegerät gehalten, that’s it. Die Stadt ist vor allem bekannt für ihren grossen, mehrteiligen Marktplatz im Zentrum. Eingefasst wird dieser von eleganten, reichverzierten Stadthäusern in allen Farben. Wir waren beeindruckt von der Schönheit und dem guten Zustand der gesamten Innenstadt. Ein witziges Detail sind die in der ganzen Altstadt verteilten Bronzezwerge. Jede dieser Figuren ist anders ausgestaltet und übt irgend eine Tätigkeit aus. Aufmerksame Spaziergänger finden die lustigen Gnome an den unmöglichsten Orten. Auch Breslau hat eine sehenswerte Markthalle. Da wir etwas spät dran waren, war jedoch das Angebot an Lebensmitteln nicht mehr sehr reichhaltig und einige der Verkaufsstände waren bereits geschlossen. 

Während unserem Stadtbummel war übrigens nach fast einer Woche das erste Mal der Himmel stark bewölkt, es war  kühl und es fielen sogar einige Regentropfen. 

Die Strecke führte uns noch einmal ein gutes Stück Richtung Westen, bevor wir dann nach Norden drehten. Bei Kozlow parkten wir das Auto und marschierten eine knappe Stunde zu einer weiteren Miniwüste mitten im Wald. Die aus den Bäumen ragenden Dünen waren einige Meter hoch und bildeten auf der grossen Lichtung breite, mit Sand bedeckte Streifen, die nur mit wenigen Bäumen und Sträuchern bewachsen sind. Für den Rückweg zum Auto wählten wir eine Parallelstrecke, welche sich als bedeutend sandiger und dadurch anstrengender herausstellte. Um einen geeigneten Übernachtungsplatz zu finden, blieben wir auf Waldstrassen. Nach einigen Kilometern entdeckte Ueli auf der Detailkarte einen kleinen See mit einem Pic Nic Platz. Diesen steuerten wir an und landeten so an einem herrlichen Ort weitab von der Zivilisation. Auf dem kleinen Gewässer beobachteten wir Enten, Gänse und viele kleine Vogelarten, die hier ihr Paradies gefunden hatten. Die vorhandene Feuerstelle war ideal, um unsere Schweinesteaks auf dem Grill zu braten.

Am folgenden Tag besuchten wir einen alten Militärflugplatz aus der Zeit der UdSSR. Nebst der verlotterten Landepiste sind noch immer einige der bombensicheren Flugzeughangars zu sehen. Diese werden heute für andere Zwecke genutzt, unter anderem offensichtlich auch um verschrottete Propellerflügel von Windturbinen zu lagern. Auf der Weiterfahrt wechselte die Landschaft immer wieder zwischen Wäldern und Landwirtschaftsgebieten, unterbrochen lediglich durch wenige kleine Ortschaften. Dafür nutzten viele Lastwagen die Landstrasse, oft schwer beladen mit Holz aus den nahen Wäldern. Beim Durchqueren grösserer Orte kam dadurch der Verkehr wegen Kreiseln und Rotlichtern oft ins Stocken, während wir ausserorts zügig vorankamen. Wieder suchten wir gegen Abend ein abgelegenes Buschcamp. Der erste Versuch entpuppte sich als schräge Wiese an einem See und war nicht sehr einladend. Den zweiten Platz erreichten wir nur nach Zuschalten des 4x4, aber auch dieser stellte sich als uneben und schattig heraus. Nur wenige Kilometer weiter erreichten wir doch noch einen Ort, wo es uns gefiel. Überdachte Tische, eine schöne Feuerstelle und direkt an einem kleinen Fluss gelegen, genossen wir den Sonnenschein, obwohl die Temperaturen noch immer unter 20 °C lagen. Den Gulascheintopf kochten wir in unserem Gusseisentopf über dem Feuer, also konnten wir wieder einmal richtig campen…

Um uns etwas Bewegung zu verschaffen, hielten wir für eine  kurze Wanderung an einem Naturschutzgebiet an. Entlang eines Talkessels wand sich der gut markierte Wanderweg durch den zartgrünen Buchenwald. Wir stiegen zum See hinunter, um die Aussicht zu geniessen. Nach dem Überqueren des Ausflusses verlor sich der zuvor gut erkennbare Weg zusehends im wildwachsenden Wald. Immer wieder lagen umgestürzte Bäume im Weg, welche mühsam überklettert werden mussten oder sumpfige Bäche zwangen uns zum Ausweichen, sodass wir nur langsam vorankamen. Trotz allem landeten wir nach dem kleinen Abenteuer wohlbehalten bei unserem Auto.

Nur wenige Kilometer weiter lag ein ehemaliges Atomwaffenlager der Roten Armee gut versteckt im tiefen Wald. Viel war von den unterirdischen Bunkeranlagen nicht mehr zu sehen, aber es hinterliess schon ein mulmiges Gefühl, diese Überbleibsel des kalten Krieges hier anzutreffen.

Durch die Gegend der kaschubischen Schweiz (keine Ahnung weshalb die Schweiz hier als Namensgeber hinhalten muss), erreichten wir Kartuzy, die Hauptstadt der Region. Dort wollten wir das Kloster besichtigen, standen jedoch vor verschlossener Tür, so dass wir die Anlage notgedrungen nur von aussen besichtigten.

Danzig

Bis Danzig waren noch wenige Kilometer zu fahren. Je näher wir der Stadt kamen, desto dichter wurde der Verkehr und wir kamen teils nur stockend voran. Da das Wetter grau und ungastlich war, beschlossen wir, einen Waschsalon anzufahren, um unsere Wäsche zu waschen. Nach einer guten Stunde war alles erledigt und wir fuhren zum Stadtcamping an der Nordküste. Mit dem Tram gelangten wir anschliessend zurück ins Zentrum. Der Himmel war noch immer grau, die Temperaturen kalt und feiner Nieselregen fiel. Trotz allem waren wir beeindruckt von Danzigs Innenstadt. Die Stadt ist ähnlich grosszügig angelegt wie Breslau. Die barocken Fassaden - allesamt nach dem 2. Weltkrieg neu aufgebaut - sind noch üppiger verziert und in wunderschönen Pastellfarben gehalten. Die breiten Strassen und die grossen Plätze sind Zeichen des ehemaligen Wohlstands dieser Stadt. Dass Danzig nicht zu unrecht als Hauptstadt des Bernstein bezeichnet wird, zeigt sich in den unzähligen Geschäften, die das versteinerte Harz in allen Varianten anbieten. Viele Kirchen und Türme, meist aus roten Backsteinen gebaut, zieren das Stadtbild. Als der Regen wieder einmal etwas kräftiger fiel, zogen wir uns in eine Bar zurück, um uns einen Apéro zu genehmigen. Bei immer noch grauem, aber immerhin trockenem Wetter schlenderten wir anschliessend durch das Zentrum, hinunter zum alten Hafen. Dieser ist zurzeit eine riesige Baustelle, überall wird renoviert und restauriert. Für das Nachtessen wählten wir das Restaurant Pierogarnia Stary Mlin, wo laut Aushang authentische, polnische Küche serviert wird. Wir wurden tatsächlich nicht enttäuscht. Nach einer Suppe als Vorspeise, liess Myrta sich Pierogi, die polnische Version von Empanadas, servieren, Ueli hatte sich für Bigos, den typischen Sauerkrauteintopf entschieden. Nicht nur das Essen, auch das rustikale, gemütliche Ambiente im Restaurant lockte immer mehr Gäste an. Bald standen die Leute draussen Schlange, bis wieder Tische frei wurden. 
Der Regen hatte inzwischen nachgelassen, aber der Himmel war nach wie vor grau und verhangen, also stiegen wir in das nächste Tram und kehrten in unser rollendes Zuhause zurück. 

Bevor wir Danzig verliessen, fuhren wir zur Westerplatte hinaus. Diese Halbinsel hatte durch ihre Lage am Hafeneingang immer schon eine grosse strategische Bedeutung. Nach dem Ersten Weltkrieg beschloss man, den Ort zusätzlich mit Stellungen und Bunkern zu verstärken. Dies zahlte sich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs aus, war doch Danzig dem ersten Angriff der deutschen Wehrmacht ausgesetzt. Obschon dieser erste Angriff noch abgewehrt werden konnte, fiel danach ganz Polen den Nazis in die Hände. Heute sind nur noch wenig Ruinen aus dieser Epoche zu sehen, jedoch erinnert ein grosses Denkmal an diese düsteren Zeiten.

Zuerst auf der Schnellstrasse, dann wieder auf Nebenwegen fuhren wir zum frischen Haff, einem schmalen Sandstreifen im Osten Danzigs. Zuvor mussten wir aber einmal mehr einen Fluss mit der Fähre überqueren. Wir legten nochmals einen Halt bei einem ehemaligen Konzentrationslager der Nazis, dem Stutthof, ein. Es ist wirklich schwer auszuhalten, was man da an Gräuelgeschichten  vorgesetzt bekommt. Obwohl es sich um ein eher kleines Lager handelte, fielen auch hier gegen 100'000 Menschen den Nazis zum Opfer. Das Lager war ursprünglich errichtet worden, um die Intellektuellen aus Danzig wegzusperren und aus dem Verkehr zu ziehen. Gegen Ende des Krieges wurde es Teil der sog. Endlösung. Die meisten der Gefangenen, die nicht bereits während der Internierung umgebracht wurden, starben auf dem Verlegungsmarsch, als das Lager vor der Einnahme durch die Rote Armee stand.

Ein Stück vor der polnisch-russischen Grenze parkten wir und wanderten durch die schönen Wälder zur eigentlichen Grenze. Zwischen den beiden Ländern liegt zwar ein Streifen von 500 m sog. Niemandsland, am weitläufigen Strand sind jedoch in der Ferne die Wachtürme der Russen gut zu erkennen. Ein Stück weit folgten wir anschliessend dem Strand, da das Gehen im Sand aber ziemlich ermüdend war, legten wir den Rest des Weges wieder im Wald zurück.

 

Die Stadt Malbork oder auf deutsch Marienburg, besuchten wir am folgenden Tag vor allem wegen der bekannten Burg. Die Burganlage gilt als grösstes Werk der Backsteingotik und war im 14. und 15. Jahrhundert Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens. Da das Innere nur mit einer 3 ½ h dauernden Führung zugänglich ist, beschränkten wir uns darauf, den mächtigen Gebäudekomplex von aussen zu bestaunen. Die Burg wurde zwar im Krieg schwer beschädigt, konnte aber stilecht wieder aufgebaut werden. Auf Fotos sind die massiven Beschädigungen ersichtlich, ebenso die komplette Zerstörung der angrenzenden Stadt.

Der Oberländische Kanal wurde im 19 Jh. gebaut, um Holz an die Küste zu befördern. Zur Überwindung der Höhenunterschiede baute man fünf sogenannte «Rollberge». Über diese Rampen lassen sich Schiffe auf Rollwagen verladen, um dann mit wasserkraftbetriebenen Winden über die schrägen Ebenen abgelassen und aufgezogen zu werden. Wir besichtigten zwei der Werke, hatten aber aufgrund der frühen Stunde das Pech, keinen Transport beobachten zu können.

In der kleinen Stadt Olsztyn, deren Ursprünge bis ins 14. Jh. zurück reichen, unterbrachen wir unsere Fahrt und schlenderten durch das malerische, gut besuchte Zentrum. Das mittelalterlich anmutende Stadtbild wird geprägt von der mächtigen Kathedrale und der Burg Allenstein. Wir fuhren anschliessend noch einige Kilometer weiter und begannen, uns nach einem Übernachtungsplatz umzusehen. Nach einigen Fehlversuchen landeten wir schliesslich an einem kleinen See, mitten in den Feldern. Ein erster Platz erschien uns noch nicht gut genug, also fuhren wir dem See entlang. Die genutzte Fahrspur war sogar im Garmin eingezeichnet, sodass wir über die Strecke nicht all zu viele Gedanken verloren. Bald jedoch verlief sie am Rand eines Kornfeldes auf den Spuren der Traktoren. Wir kamen so weit auch ohne Probleme voran, bis in einer Senke die Piste schlammig und die Fahrrinnen auch für die Bodenfreiheit des Cruisers zu tief wurden. Die Blattfedern setzten auf und wir steckten fest. Da wir nahe genug an den Bäumen fuhren, wollte Ueli die Winde zum Einsatz bringen, nur um festzustellen, dass sich das Kabel zwar aus- aber nicht mehr einfahren liess. Mangelnde Pflege hatte die Kontakte korrodieren lassen. Also Plan B: Äste und Steine unterlegen und schaufeln. Nicht sehr angenehm im stinkenden, klebrigen Schlamm. Nach 1 Stunde harter Arbeit war das Auto schliesslich frei und wir konnten rückwärts herausfahren. Lediglich einer unserer Unterlegkeile hatte sich im Schlamm so eingegraben, dass er nicht mehr auffindbar war. Am Ende landeten wir doch im Camp, welches wir erst als zu wenig attraktiv links liegen gelassen hatten. Nach einer Weile bemerkte Ueli, dass die Fernbedienung der Winde fehlte. Diese war in der Hitze des Gefechtes offenbar auf der Stossstange liegen geblieben und schliesslich verloren gegangen. Wir beschlossen, uns erst am nächsten Morgen auf die Suche danach zu machen, für heute hatten wir genug Abenteuer.

Erstmal genossen wir den herrlichen Abend mit Sonnenuntergang und Vogelgezwitscher aus allen Büschen. Bevor wir uns am Morgen  nach der verlorenen Fernbedienung umsehen wollten, liess Ueli seine Drohne steigen, um ein paar Bilder vom See und unserem Camp zu schiessen. Für den kurzen Flug sollten die 47 % Batteriekapazität locker reichen... dachte er... kaum in der Luft, meldete der Alarm im Display, dass die Drohne wegen schwacher Batterie automatisch zurückfliegen würde. unmittelbar nach dem Wendemanöver die nächste Meldung: Nicht genug Kapazität, um zurückzukehren, Notlandung wird eingeleitet. Die Landung endete im Schilfgürtel der kleinen Insel im See, die Kamera sendete noch ein paar letzte Bilder und dann war aus die Maus. Die wohl teuersten 24 Std. unserer bisherigen Reise endeten mit dem Verlust einer Drohne und einer Winden-Fernbedienung, welche ebenfalls unauffindbar blieb.  

Kurz nach unserem Aufbruch kamen wir an einer bekannten Klosteranlage vorbei, der Basilika Święta Lipka. Aus der ursprünglichen Kapelle entstand im Laufe der Jahrhunderte dieses weitherum bekannte Marienheiligtum und die Pilgerstätte. Äusserst sehenswert sind die barocke Innenausstattung der Kirche und die grosse, reich dekorierte Orgel. 

Unser Weg schlängelte sich weiter durch die masurische Seenplatte, entlang der russischen Exklave von Kaliningrad. Diese Gegend bietet keine grossen Höhepunkte, aber etwas abseits der Route besuchten wir zwei alte Eisenbahnviadukte. Die dazu gehörende Bahnstrecke, erbaut zwischen 1912 und 1918 war noch nicht richtig fertig gestellt, als sie wegen Kriegswirren eingestellt wurde. Nach dem Krieg klauten die Russen das Schienenmaterial und die Bahn kam nie zum Laufen. Noch einmal näherten wir uns der Grenze zu Russland. In dieser Gegend treffen Polen, Litauen und Russland aufeinander. Der Grenzstein ist zu Fuss bis auf ein paar Meter zugänglich. Die russische Seite ist komplett von Stacheldrahtverhauen abgesichert, während zwischen Polen und Litauen ein freier Übertritt möglich ist.
Schon länger war uns aufgefallen, wie viele Storchennester in Polen überall zu sehen sind. Auf jedem Strommast, jedem Kirchturm und auf den Dächern waren die Nester platziert. Praktisch alle waren belegt und in jedem wartete eines oder gar zwei Junge darauf, von den Eltern gefüttert zu werden. Kein Wunder behaupten die Einheimischen, dass jeder vierte Storch weltweit ein Pole sei.

Als wir uns am Nachmittag auf einem schönen Plätzchen an einem See nahe der litauischen Grenze einrichteten, bemerkte Ueli, dass ein Reifen massiv Luft verlor. Also hiess es, Rad wechseln. Ein weiters Pech innerhalb von 24 h. Nun hofften wir, dass es mit unliebsamen Überraschungen für den Rest der Reise genügen würde und wir keine weiteren Dramen erleben müssten.

Die Grenze zu Litauen überquerten wir auf einer kleinen Landstrasse. Kurz davor lag ein polnisches Zollfahrzeug auf der Lauer, keine Ahnung was diese dort zu erwarten hatten. Auf meist gut ausgebauten Strassen ging es Richtung Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Nach wenigen Kilometern fanden wir einen Reifenhändler, wo unser defektes Rad sofort repariert werden konnte. Es stellte sich heraus, dass wir wieder einmal einen Nagel eingefangen hatten.

In Trakai besichtigten wir eine weitere, aus Backsteinen gebaute Burg, die spätmittelalterliche Wasserburg von Trakai. Diese beherbergt neben einigen authentisch ausgestatteten Räumen mehrere historische Sammlungen. Unter anderem waren alte Tabakpfeifen, Keramik, Glas und weitere kunsthandwerkliche Produkte zu bestaunen. Am eindrücklichsten jedoch ist die Lage der Burg, auf einer über lange Brücken erreichbaren Insel.

Nachdem bis hierher kaum Verkehr war auf der Strasse, wurde dieser immer hektischer, je näher wir Vilnius kamen. Die Parkplatzsuche war einmal mehr herausfordernd, schliesslich wurden wir aber nahe am Zentrum fündig. Auf unserem Spaziergang durch die Altstadt. fielen uns vor allem die unzähligen Kirchen auf. Vierzig an der Zahl sollen es laut Reiseführer sein. Generell erscheint Vilnius wie ein riesiges Museum mit Bauwerken aus allen Epochen. Ebenfalls auffallend waren die vielen chinesischen Touristen, welche in geführten Gruppen durch die Gassen stolperten, ein in den letzten Jahren nicht mehr so häufig anzutreffendes Bild. Trotz aller Schönheit konnte uns Vilnius nicht mehr gleich stark begeistern wie die Bilderbuchstädte in Polen und so zog es uns bald weiter. Im starken Verkehr war es recht mühsam aus dem Stadtgebiet zu kommen, aber ein herrlicher Stellplatz an einem weiteren See liess und die Hektik schnell vergessen. Da die Zufahrt zum Platz sandig und ausgewaschen war, erwarten wir hier keine weiteren Camper. Etwas später erschien dann doch eine Gruppe junger Männer, um zu grillen. Diese liessen sich aber ein Stück weg nieder und störten uns nicht.

Der erste Halt am nächsten Morgen galt dem Mittelpunkt Europas. Überrascht? Das waren wir auch, als wir das herausgefunden hatten. Geografen des nationalen Geographieinstituts Frankreichs haben im Jahr 1989 den Flächenschwerpunkt zwischen den europäischen Extremen in den vier Himmelsrichtungen hier fixiert. Dabei gilt zu bedenken, dass die Ost-Westachse von den Azoren in den Ural und die Nord-Südachsen vom Nordkap zu den Kapverdischen Inseln reichen. Es existieren natürlich verschiedene Methoden, um diesen Punkt zu berechnen, daher werden mehrere "Zentren Europas" deklariert. Sie alle befinden sich aber in den baltischen Staaten oder zumindest nicht fern davon.

 

In der Nähe des Ortes Kernave finden sich Zivilisationsspuren von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Kernave war im 13. Jh. ein bedeutender Ort und gilt daher auch als die älteste Hauptstadt Litauens. Von den älteren Kulturen sind nur noch Hügel zu erkennen, auf welchen früher einfache Festungen errichtet worden waren. Anhand vieler hier gefundener Artefakte u.a. aus der Römerzeit und dem Mittelalter wurde ein eindrückliches und aufschlussreiches Dorf rekonstruieret.

Kurz vor Kaunas besuchten wir schliesslich das "Ballenberg Museum" der Litauer. Auf einem riesigen Gelände sind wiederaufgebaute Häuser, die meisten aus dem 19. Jahrhundert, zu sehen. Gehöfte mit allen Nebengebäuden, eine Windmühle und sogar ein halbes Dorf mit Kirche sind zu bestaunen. Wir teilten das riesige Freiluftmuseum mit einer Schulklasse und einigen wenigen weiteren Besuchern. Leider standen viele der Gebäude leer oder waren gar abgeschlossen, trotzdem lohnte sich der Besuch. Eventuell finden während der Sommermonate mehr handwerkliche Demonstrationen statt, welche der Anlage etwas Leben einhauchen würden.

Wir fuhren dem Tal der Memel entlang nach Kaunas und Richtung Küste. Wir visierten einen Campingplatz an, welcher nebst sehr guten Einrichtungen vor allem ein gutes Internet anbieten sollte. Dieses benötigte Myrta am Mittwochabend für ihren online Chinesisch-Kurs. Wir wurden nicht enttäuscht und genossen die schöne Anlage, welche wir mit nur drei weiteren Campern teilen mussten. Auf der Strasse Nr. 141 folgten wir weiter der Memel westwärts. Bald bildete der Fluss auch die Nordgrenze zur russischen Exklave von Kaliningrad. Wir unterbrachen die Fahrt für eine kleine Wanderung im Rambynas Regionalpark. Die Wege waren sehr gut ausgeschildert und Infotafeln erklärten die wenigen Sehenswürdigkeiten ausführlich. Allerdings waren die Pfade meist stark zugewachsen, da diese vermutlich erst auf die Hauptsaison hin vom Bewuchs befreit werden. Nebst einem alten Friedhof mitten im Wald erklommen wir den höchsten Berg in der ganzen Region. Mit 74,5 m Höhe konnte uns dieser aber nicht wirklich beeindrucken.

Im Delta der Memel fuhren wir weit hinaus bis ans Haff, um auch dort noch einmal etwas Bewegung zu bekommen. Die Gegend ist bekannt für seinen Vogelreichtum, dass wir aber im Schilf ausserdem einen jungen Elch zu sehen bekämen, damit hatten wir nicht gerechnet. Das Konzert von tausenden Fröschen verhinderte beinahe, dass wir das Vogelgezwitscher hörten. Die grösseren Vogelarten wie Reiher und Kormorane waren einfach zu entdecken, die unzähligen kleineren hingegen waren mehr zu hören als zu sehen.

 

An einem Fluss fanden wir einmal mehr ein schönes Wildcamp. Die Temperatur war angenehm, nur der kräftige Wind zwang uns, hinter dem Fahrzeug Schutz zu suchen. 

Nach nur einer Stunde erreichten wir Klaipeda. Die Stadt am Meer gilt als wichtigster Seehafen Litauens und wird regelmässig auch von Kreuzfahrern angelaufen. Tatsächlich lag eines dieser Riesenschiffe vor Anker. Wir machten einen Rundgang durch die kleine Altstadt, welche vor allem von mehreren schön restaurierten Fachwerkhäusern aus dem 17. Jh. geprägt wird. Bei unserem Besuch waren Vorbereitungen für ein Festival im Gange und dadurch die Gassen mit Marktständen zugebaut, zudem waren mehrere grosse Baustellen in Aktion. Diese Aktivitäten verhinderten weitgehend einen uneingeschränkten Blick auf die hübsche Altstadt, deshalb verbrachten wir dort nur wenig Zeit. Sehr schön war hingegen der Spaziergang entlang des Kanals, welcher zum alten Hafen führt. Neben einer 1855 erbauten und nach wie vor von Hand betriebenen Drehbrücke über den Kanal findet sich dort das  "Schwarze Gespenst", eine Bronzeskulptur, als eine der Sehenswürdigkeiten.

In Palanga besuchten wir das grosse und informative Bernsteinmuseum. An den Ostseeküsten wurden und werden grosse Mengen des Edelharzes gefördert und Litauen ist neben Polen eines der grössten Verarbeitungsländer. Das Museum ist in einer wunderschönen Villa inmitten eines riesigen Parks untergebracht. Auch hier waren kaum andere Besucher unterwegs, sodass wir die umfangreiche Sammlung in Ruhe geniessen konnten. Einer der grössten gezeigten Funde ist der über 3.5 kg schwere sog. Sonnenstein aus Baltischem Bernstein. Eindrücklich werden die unterschiedlichen Formen und Farben des Harzes veranschaulicht und die Geschichte von der Förderung bis zur Verarbeitung zu Schmuck und anderen Kunstgegenständen dokumentiert. Vor allem bekannt ist das Museum für eine der weltweit grössten Sammlungen von sog. Inklusen. Dabei handelt es sich um zum Teil glasklare Exponate mit Einschlüssen. Unter Lupen können Insekten, Pflanzenteile und sogar kleine Eidechsen im Harz entdecket werden. Nach dem Besuch im Museum schlenderten wir durch den riesigen Park, welcher sogar einen eigenen grossen Badestrand am Meer beinhaltet.

Nachdem wir noch einmal günstigen Diesel getankt hatten (günstiger als 1.39 Euro/l wird der Sprit auf unserer Reise wohl nicht mehr werden), erreichten wir bald die Grenze zu Lettland. Nur wenige Kilometer danach bogen wir zum Pape Nationalpark ab. Leider war das Besucherzentrum geschlossen, so dass wir keine schlüssigen Informationen zu Aktivitäten im Park einholen konnten. Ein markierter Vogelbeobachtungsturm stellte sich als Flop heraus, da dieser unseres Erachtens viel zu weit weg von möglichen Vögeln gebaut wurde und da andererseits wohl die Saison nicht passte. Wir kehrten deshalb etwas enttäuscht zur Hauptstrasse zurück, um einige Kilometer weiter zur Aufzuchtstation für Auerochsen und Wildpferde zu fahren. Hier kann direkt bei der Parkranger Station kostenlos campiert werden. Wir hatten das Glück, die Auerochsenherde aus kurzer Distanz beobachten zu können. Die Pferde weideten etwas weiter entfernt.

Als wir am nächsten Morgen nochmals über den Zaun schauten, hielten sich Pferde dafür ganz in der Nähe auf und liessen sich gut beobachten und fotografieren. Die Auerochsen hingegen hatten sich in eine andere Ecke des riesigen Reservats zurückgezogen.

Uns zog es weiter nordwärts. In Liepaja besuchten wir den Markt, um die Lebensmittelvorräte wieder aufzufüllen. Gemüse und Früchte, aber auch  andere Waren wurden rund um die Markthalle angeboten. Im Inneren waren es vor allem Fleisch- und Milchprodukte. Da Samstagvormittag war, wurde der Markt gut besucht und die meisten Stände waren offen. Es war wie immer faszinierend, zwischen den Marktständen herumzustöbern und zu sehen, welche bekannten aber eben auch unbekannten Produkte im Angebot waren. In der Stadt selber gab es für uns ausser mehreren Kirchen und ein paar alten Holzhäusern nicht sehr viel Interessantes zu entdecken.

 

Eine gute Fahrstunde im Landesinnern wollten wir die kleine Stadt Kuldiga besuchen. Wir parkten am Stadtrand und schlenderten durch das Zentrum. Erstaunlich viele, vor allem wieder einheimische Besucher spazierten durch die verkehrsfreien Strassen. Das hübsche Städtchen hat einiges an schmucken Gebäuden und Gässchen zu bieten. Vieles wurde oder war renoviert und wir hatten den Eindruck, dass die Stadt künftig auf mehr Tourismus setzen will. Von der alten Backsteinbrücke hatten wir eine gute Aussicht auf den angeblich breitesten Wasserfall Europas. Er erstreckt sich wohl über die ganze Breite der Venta, weist aber nur wenig Höhe auf und ist dadurch nicht so wahnsinnig eindrücklich. Das Städtchen hat uns alles in allem sehr positiv überrascht und der Umweg hatte sich jedenfalls gelohnt.

Noch kurz vor Ventspils an der Küste richteten wir uns direkt an der Venta zum Übernachten ein. Wieder fanden wir ein wunderschönes Buschcamp. Zwei Fischer waren bereits im Begriff zu packen und nach Hause zu fahren, etwas später wollte eine Familie ihr Glück mit Angeln versuchen, zog aber nach Kurzem erfolglos wieder ab. Danach hatten wir den Platz für uns allein und genossen die angenehme Ruhe. Zum Nachtessen gab es eine Moussaka aus der Omnia. Da keine Auberginen aufzutreiben waren, bereiteten wir diese mit Zucchini zu, was ebenso ausgezeichnet schmeckte.

 

Wir hatten im Internet gesehen, dass die Supermärkte in Lettland offenbar auch am Sonntag geöffnet sind und nutzten die Gelegenheit, in Ventspils einige Dinge einzukaufen. Obschon erst kurz nach neun Uhr, waren erstaunlich viele Kunden im Geschäft.
Wir parkten anschliessend am Fährhafen und machten uns zu einem Stadtrundgang auf. Nebst einigen wenigen, meist schmucklosen Holzhäusern gab es in der Hafenstadt nicht viel zu entdecken. Die Stadt ist allerdings bekannt für ihre witzigen und teils skurrilen Kuh Skulpturen an der Hafenpromenade, wobei die berühmteste die übergrosse «Touring Cow» am Kanal ist.
Wir fuhren weiter Richtung Kap Kolka und machten dabei einige Abstecher zur Küste, da die Hauptstrasse überwiegend von Wäldern gesäumt und vom Meer nichts zu sehen ist. Auf etwa halben Weg bogen wir noch einmal von der Strasse in den Wald ab, um ein altes, heute teils rostiges 32m-Radioteleskop in Augenschein zu nehmen. Die Anlage stammt noch von den Russen, welche die Einrichtung genutzt hatten, um Radio und Funksignale auszuspionieren. Nach dem Niedergang der UdSSR verlotterte sowohl die Antenne als auch die umliegenden grossen Wohnblöcke der Betreiber- und Wachmannschaften zusehends. Die Antenne selber wurde inzwischen für Wissenschaftler wieder in Betrieb genommen. Die Gebäude drum herum hingegen verkommen immer mehr zu einem «Lost Place». Um in die Nähe der Antenne zu gelangen, müsste vorab eine Tour gebucht werden.

Einige Kilometer vor dem Kap fuhren wir ein Stück weit ins Landesinnere. Dort befindet sich eine Geländestufe, welche als Standort für einen Leuchtturm weitab von der Küste geeignet war. Der Turm ist zwar nicht mehr in Betrieb, lockt aber als Sehenswürdigkeit die Besucher an. Wer gerne Treppen steigt, kann von oben die Umgebung bewundern. Uns reichten die 160 Stufen der Treppen, welche zu einem Rundwanderweg hinunter und am Schluss eben auch wieder hoch führten. Der Weg verlief auf einem Holzsteg durch die abwechslungsreiche Vegetation. Wald und Moor wechseln sich ab und erlauben einen Einblick in die vielfältige Flora und Fauna.

Am Kap Kolka angekommen, umrundeten wir diesen unscheinbaren, nördlichsten Punkt der Rigaer Bucht. Da Sonntag war, waren wir hier für einmal nicht die einzigen Besucher. Der ostwärts gerichtete Strand war kaum begehbar, da unzählige Baumskelette schier unüberwindbare Hindernisse darstellten. Die umgestürzten Bäume waren im Laufe der Zeit unterspült worden und verloren irgendwann den Halt im sandigen Untergrund.

Auf der Weiterfahrt kauften wir Räucherfisch, welcher in der Gegend überall in kleinen Strassenständen angeboten wird. Verschiedene Fischarten werden als ganze Tiere oder als Filets geräuchert und direkt vom Produzenten zu günstigen Preisen verkauft. Im Engure See Nationalpark fuhren wir über eine kurze Stichstrasse zum See. Dem Ufer entlang führt ein Wanderweg zu einem Beobachtungsturm, denn auch diese Region ist bekannt für ihren Vogelreichtum. Noch bekannter aber sind die blauen Kühe und die Wildpferde, welche man in derselben Gegend beobachten kann. Die Lettische Blaue Kuh ist eine vom Aussterben bedrohte Ur-Rinderrasse, die man hier nachzüchtet, um wieder in der Wildbahn angesiedelt zu werden. Ihren Namen verdankt sie ihrem blau-grauen Fell. Die ebenfalls hier nachgezüchteten Koni-Wildpferde sind sehr zutraulich und erwarten die Besucher direkt am Zaun. Die Kühe hingegen halten einen gebührlichen Abstand, während sie mit ihren Kälbern genüsslich die Pflanzen in der flachen Uferzone abgrasen.

Riga

Bis Riga war es am folgenden Tag nicht mehr weit zu fahren. Wir parkten bei den Markthallen und starteten unseren Stadtrundgang. Die mittelalterliche Altstadt, die vielen Jugendstilvillen und einmal mehr unzählige Kirchen machen den Reiz der Lettischen Hauptstadt aus. Die Strassen sind meist mit groben Kopfsteinen gepflastert, was das Gehen etwas mühsam macht. Besonders eindrücklich fanden wir das Schwarzhäupterhaus. Das 1334 von der Gilde der Schwarzhäupter erbaute Haus diente für Versammlungen der Kaufleute dieser Vereinigung. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört, zwischen 1993 und 1999 jedoch originalgetreu wieder aufgebaut. Heute wird  es vor allem als Eventlocation genutzt, und ist einer der Hauptanziehungspunkte in Riga. Das Schloss Riga, ein eher unscheinbarer Bau am Ufer der Düna, ist Sitz des Lettischen Staatspräsidenten. Nördlich der Altstadt, als Abgrenzung zu den neuen Quartieren Rigas, lädt eine schöne Parkanlage zum Promenieren ein. Am Denkmal der Unabhängigkeit lässt sich mehrmals täglich die zackige Wachtablösung der Ehrenwache beobachten. Zum Abschluss besuchten wir die riesigen Markthallen, um einzukaufen. Zurzeit war Erdbeeren Saison und überall roch es verführerisch nach den reifen Früchten. Fleisch wird in rauen Mengen angeboten und wir erstanden ein Rinderkotelett mit etwas über einem Kilogramm Gewicht. Wir werden also zwingend  in den nächsten Tagen einen Übernachtungsplatz mit Grillstelle ansteuern müssen. Ebenfalls auf der Einkaufsliste stand Aufschnitt für unser Frühstück. Das Angebot war riesig, aber erstens hatte keiner der Verkäufer eine Wurstschneidmaschine und zweitens verkauft man stur nur entweder eine ganze und allenfalls eine halbe Wurst. Das war uns dann definitiv zu viel auf einmal, also verzichteten wir darauf. 
Die Markthallen wurden übrigens in den 1920er Jahren aus dem Abbruchmaterial der ehemaligen Zeppelinhangars in der Region gebaut. Mit den fünf Hallen mit einer Gesamtfläche von 72'300 m2 galt er in den 1930er Jahren als modernster Markt Europas. Jede der riesigen Hallen beherbergt ein anderes Angebot, so für Gemüse, Milch, Fleisch, Fisch und Gastronomie. Uns beeindruckte vor allem die «Fischhalle» mit ihrer unglaublichen Auswahl an Fischprodukten, speziell auch die geräucherten Spezialitäten.  

Einige Kilometer flussaufwärts, in einem stillen Waldgebiet, liegt Salaspils, eine weitere Gedenkstätte der Judenvernichtung durch die Nazis. Besonders schrecklich ist die Tatsache, dass die Opfer dieses «Arbeitslagers» mehrheitlich Kinder waren. Übergrosse Steinstatuen und ein bedrückendes Betonmonument erinnern an diese Epoche. Aus einem der Betonmonumente ertönt ein dumpfer, rhythmischer Ton, welcher an den Herzschlag der Toten erinnert und die bedrückende Stimmung an diesem schrecklichen Ort fast unerträglich macht.

Auf dem Weg zum Übernachtungsplatz, einmal mehr ganz alleine mitten in der Natur an einem Fluss, wurden wir von einem heftigen Gewitter mit Starkregen und Hagel heimgesucht. Aber so schnell es gekommen war, so schnell war der Spuk vorbei. Den Abend genossen wir jedenfalls bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen.

Wir hatten bereits am Rande des Gaujas Nationalparks übernachtet und wollten nun die Region erkunden. Der Park ist vor allem für seine gelb-orangen Sandsteinfelsen entlang der Flussufer bekannt. Unser erster Halt galt dann auch den Zwartes Klippen, an der Amata gelegen. Über Treppen erreichten wir die Oberkante der Felsen und hatten von dort eine hervorragende Aussicht auf das Umland. Noch eindrücklicher sind die Formationen jedoch vom Fluss her betrachtet.
Im Herzen des Nationalparks liegt Cesis, ein hübsches Städtchen mit einem sehr gepflegten Park mit schwarzen Schwänen und einer alten Ordensburg. Etwas weiter nördlich wanderten wir zu den Erglu Klintis Felsen. Da diese über verschiedene Wege erreichbar sind, konnten wir uns eine kurze Rundwanderung zusammenstellen. Wir erreichten die Felsen auf der Oberseite und hatten von dort eine schöne Aussicht auf den Gauja Fluss. Um die Formationen wirklich zu sehen, mussten wir an den Fluss hinuntersteigen. Die Erglu Klippen gehören zu den höchsten im Park und stehen vor allem am Nachmittag im guten Fotolicht.

 

Durch Landwirtschaft und Wälder gelangten wir bei Tuja an die Küste. Eine kleine Strasse führte ein Stück weit dem Meer entlang, bevor wir wieder auf die Hauptroute zurück kehren mussten. Wir überquerten erneut eine Landesgrenze und waren damit im dritten baltischen Land, in Estland, angekommen. An der Nebenstrecke, welche nahe am Meer verläuft, befinden sich mehrere Campingmöglichkeiten. Neben privaten Plätzen gab es auch zwei von der Forstbehörde RMK geführte. Diese sind zwar einfach ausgestattet, aber dafür naturnah und kostenlos. Jetzt, in der Nebensaison stand ausser uns im weitläufigen RMK Krapi nur noch ein weiteres Fahrzeug mit Solothurner Kennzeichen zum Übernachten.
Wir richteten uns ein und starteten bald das Feuer. Holz hatten wir unterwegs aufgeladen, da es erfahrungsgemäss rund um die öffentlichen Grillstellen nicht viel Feuerholz zu finden gibt. Bald brutzelte unser in Riga erstandenes 1,2 kg Rinderkotelett über der Glut. Nach dem Essen spazierten wir dem Strand entlang. Zum Baden dürfte es hier weniger geeignet sein. Dem Strand vorgelagerte Sandbänke und seichtes Wasser zwingen einen weit hinaus zu waten, bevor das Wasser nur schon hüfttief wird.
Hingegen bieten die im Wasser liegenden, grossen Steine vor allem bei Sonnenuntergang dankbare Fotosujets. 

Bevor wir ins Landesinnere zum Soomaa Nationalpark abbogen, machten wir ein kurze, aber interessante Wanderung durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Der Weg startete direkt an der Hauptstrasse und verlief durchwegs auf Holzbohlen. Wir durchwanderten erst einen gefluteten Wald und bogen dann in ein grosses Moorgebiet ein. Am Weg hatten bereits verschiedene Pflanzen ihre Blüten geöffnet. Der Holzsteg führte uns an einen schönen, durch die Moorerde kaffeebraun gefärbten See. Auf dem Rückweg erklommen wir die bewaldeten und dicht bewachsenen Sanddünen, welche zu den höchsten im Land zählen.

Im Soomaa Nationalpark wurden wir im Besucherzentrum in perfektem Englisch und mit viel Kompetenz und Enthusiasmus über unsere Möglichkeiten informiert und dokumentiert. Wir folgten der Piste, die quer durch den Park führt, und machten uns auf zu einer der empfohlenen Wanderungen entlang der Raudna bis zu deren Zusammenfluss mit der Lemm. Unzählige Spuren vom nächtlichen Tun der Biber waren zu entdecken. Im dichten, feuchten Wald plagten uns zwar die Mücken, aber die Route war abwechslungsreich und interessant. Auch hier blühten interessanterweise Schlüsselblumen zusammen mit bei uns viel später blühenden Pflanzen. Sogar einzelne Iris hatten in einer Wiese bereits ihre blauen Blüten geöffnet. Nach eineinhalb Stunden waren wir zurück beim Auto und setzten unsere Fahrt fort. Wir hatten eigentlich geplant, an der Ostseite des Parks zu übernachtet und dort eine weitere Wanderung zu starten. Inzwischen war jedoch bereits späterer Nachmittag und Myrta wollte am Abend am chinesisch Fernunterricht teilnehmen, also suchten wir einen Campingplatz mit verlässlichem WiFi oder zumindest gutem Telefonempfang. Wir fanden den Platz schliesslich ausserhalb von Pärmu, wieder direkt am Meer. Auch diesmal waren unsere einzigen Nachbarn ein Schweizer Ehepaar aus St. Gallen.

Wir folgten der Südküste auf Nebenstrassen und machten einen kurzen Abstecher zu drei uralten und geschichtsträchtigen Eichen in der Nähe von Kastna. Vor lauter Büschen und Bäumen entdeckten wir die beschriebenen Eichen erst gar nicht. Sie stehen einfach als Teil der Vegetation in der Umgebung, ohne nähere Markierung, ohne Zaun oder gekennzeichneten Weg darum herum. Wenn man die imposanten Stämme und Kronen jedoch gefunden hat, versteht man deren Bedeutung für die Region. Weit und breit sind keine ähnlich mächtigen Bäume zu sehen.

Über Pisten und den Damm einer ehemaligen Eisenbahnlinie schnitten wir einige Kilometer Weg ab, um den Hafen in Virtsu zu erreichen, wo die Fähre zur Insel Saaremaa startet. Bei unserem Eintreffen hatte die Beladung des Schiffes bereits begonnen. Wir konnten aber problemlos noch ein Ticket kaufen und waren bereits nach wenigen Minuten auf der Fähre. Die Überfahrt zur grössten Insel der Ostsee dauert nur etwa eine halbe Stunde. Die Ankunft erfolgt auf der vorgelagerten, kleineren Insel Muhu, welche über einen Damm mit der Hauptinsel verbunden ist. Wir fuhren erst eine kleine Runde um Muhu. An der Nordküste liegen die Klippen von Üügu, welche eine der Attraktionen von Muhu bilden. Obwohl das Kliff nur etwa 20 m hoch und einige hundert Meter lang ist, vermag es im sonst eher flachen Estland zahlreiche Besucher anzuziehen. Da die Erde karg und das Klima trocken ist, wachsen bekannte Pflanzenarten nur im Miniformat. Einige Pferde weideten am Meeresufer, begleitet von einer Handvoll Rindern.
In der Ortschaft Liiva erwähnt der Reiseführer das legendär gute Muhu Brot. Anhand der veralteten Beschreibung im Buch konnten wir jedoch nicht herausfinden, wo es verkauft wird. Also besichtigten wir erst mal die alte Kirche. Dabei kamen wir mit einer Dame ins Gespräch, welche daran war, die Kirche für die Sommersaison heraus zu putzen. Als Nebensatz beim Verabschieden empfahl sie uns, doch eines der legendären Muhu Brote zu kaufen, und zwar im modernen Coop Laden. Dieser wurde wohl an der Stelle errichtet, an welcher der Reiseführer die alte Bäckerei beschrieben hatte. Tatsächlich konnten wir dort ein noch warmes Brot erstehen. Auf den ersten Blick erinnerte das Gebäck mit seiner schwarzen Farbe  eher an ein verkohltes Holzstück und wirkte nicht sehr appetitlich. Ein Kunde im Laden versicherte uns jedoch, dass es sich lohnt es zu probieren und er hatte absolut recht damit.

Einige Kilometer weiter liegt an der Küste das kleine Dorf Koguva. Einige alte Häuser des Ortes wurden zu einem Freiluftmuseum umfunktioniert und mit Informationen zur Geschichte und Kultur der Insel Muhu ausgestattet. Auf einem Rundgang durch das Dorf bildet ein Bauernhof mit mehreren Gebäuden das Herzstück des Museums. Danach erreicht man das alte Schulhaus, eine traditionelle Windmühle und ein Haus, welches eine Textil- und Trachtenausstellung beherbergt.

Wir fanden einen sonnen- und windgeschützten Übernachtungsplatz an der Ostküste der Hauptinsel. Nicht weit davon entfernt wäre auch ein RMK Campingplatz gelegen, aber dort hätten wir mit dem Fahrzeug auf dem staubigen Parkplatz stehen müssen. Bei dem kräftigen Wind nicht sehr angenehm.

Fahrt durch die Wälder von Saaremaa

Mitten in der Insel ist ein Meteoritenkrater zu besichtigen. Der 100 m grosse, kreisrunde Krater ist vor einigen Tausend Jahren entstanden, genau liess sich das nicht bestimmen. Da in der Region mehrere Einschläge bekannt sind, nimmt man an, dass es sich um ein Ereignis handelt, bei welchem ein mittelgrosser Meteorit beim Eintritt in die Erdatmosphäre in mehrere Teile zerbrochen ist.

Im Süden liegt Kuressaare, der Hauptort und grösste Stadt der Insel. Die alte Wehrburg, auf einer riesigen, künstlich aufgeschütteten Insel gelegen, ist die bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt. Zwei Brücken überspannen den breiten Wassergraben und ein Tunnel führt dann ins Innere der Anlage. Die klotzige Burg mit der integrierten Kirche wird von grosszügigen Grasflächen umspannt. Unvorstellbar ist der riesige Aufwand, der nötig gewesen sein muss, um nur schon das Fundament aufzuschütten, natürlich ohne Baumaschinen und Bagger. Auch die Burg hatte seine Windmühle und mehrere Nebengebäude fanden problemlos Platz auf dem Areal.
Aber auch das Ortszentrum ist ganz nett. Viele alte Holzhäuser beherbergen heute Restaurants und Läden, sind aber schön renoviert und in allen Farben gestrichen.

Wir folgten der Südküste und gelangten schliesslich zum Vilsandi Nationalpark. Wir informierten uns im Besucherzentrum, aber die hilfsbereite Dame konnte nur gebrochenes Englisch und so waren die entlockten Informationen spärlich. Sie stattete uns mit einer Karte aus, mit welcher wir uns selber zu helfen wussten. Auf einer der Halbinseln im Park unternahmen wir eine Wanderung durch einen Föhrenwald zum Laialepa See. Dieser liegt mitten in der Landspitze, umrahmt von Wald. Auf einer anderen Route gelangten wir zurück zum Auto.
Auf der dritten grossen Halbinsel, bereits ausserhalb des Nationalparks, kamen wir im nördlichsten der drei RMK Camps unter. Man konnte zwischen schattigen Plätzen im Wald und sonnigen am Kiesstrand wählen. Da die Temperaturen schon fast dreissig Grad erreicht hatten, zogen wir den Wald vor, nicht zuletzt, weil dort auch Tisch, Grill und WC zur Verfügung stehen. Der Sonnenuntergang, kurz nach zehn Uhr, war spektakulär und einmal mehr verbrachten wir die Nacht alleine mitten in der Natur.
Auf ausgewaschenen, schmalen Waldstrassen durchquerten wir die Halbinsel und erreichten so die Teerstrasse auf der andern Seite ohne Umwege.
Die Panga Klippen sind dann etwas eindrücklicher, aber auch nur gut 20 m hoch, aber dafür recht lange. Da man aber die Felsen nur von oben betrachten kann, bekommt man nicht wirklich einen Eindruck der Felsformation. Im angrenzenden Wald finden sich auch hier Überbleibsel der Roten Armee, viel ist es aber nicht. Hingegen erfreuten und die flächendeckend blühenden Maiglöckchen und die ersten Orchideen. Erst hatten wir geplant, von Triigi auf die Nachbarinsel Hiiumaa überzusetzten, aber in der Nebensaison fährt die Fähre nur frühmorgens oder abends. Wir waren um die Mittagszeit dort und wollten nicht einen halben Tag in der Gegend abwarten, sondern nahmen die Fähre zurück aufs Festland, wie wir auch gekommen waren.

Vorher besichtigten wir aber noch eine antike Windfarm. Eine Anlage, welche ursprünglich aus neun Windmühlen bestand, heute sind fünf restaurierte Mühlen noch vorhanden. Ganz in der Nähe ist noch eine der ältesten Kirchen der Insel zu besuchen, leider war sie aber abgeschlossen und so nur von aussen zu  besichtigen.

Um nach Haapsalu zu gelangen, muss man ziemlich weit ins Landesinnere ausweichen. Einerseits schneidet eine tiefe Bucht ins Land und dazu kommt der weitgehend strassenlose Nationalpark, den es zu umfahren gilt. Die Stadt entpuppt sich als sehr hübsch. Auch hier sind viele alte Holzhäuser schön restauriert worden. Mitten im Stadtzentrum stehen die Ruinen einen weiteren Deutschen Ordensburg. Innerhalb der Mauern fand bei unserem Besuch ein Tanzwettbewerb statt. Jung uns alt tanzen um Ruhm und Ehre.
Am originellsten ist aber der pompöse, alte Bahnhof der Stadt. Dieser wurde ursprünglich für die russische Zarenfamilie erbaut, da sie regelmässig in Haapsalu Urlaub machten und mit dem Zug anreisten. Das Perron des Sackbahnhofs ist weit über hundert Meter lang, man kann sich kaum vorstellen, mit welcher Entourage der Zar anreiste. Auf den Gleisen sind einige alte Lokomotiven und Züge ausgestellt.

An diesem Tag hatten wir wieder einmal Mühe, einen passenden Übernachtungsplatz zu finden. Nicht dass es keine Optionen gegeben hätte in der Gegend, das Problem war, dass die Esten am Wochenende auch gerne campen gehen. Deshalb waren die bekannten Plätze an der Küste gut besucht. Wir hätten uns wohl auch noch dazwischen quetschen können, aber die Partylaune unserer Nachbarn hätte uns sicher eine unruhige Nacht eingebracht. Schliesslich wurden wir auf einem MRK Platz im Landesinnern fündig. Wir waren zwar auch dort für einmal nicht alleine, aber die zwei benachbarten Gruppen waren doch einige Dutzend Meter entfernt und sahen auch nicht nach Radau und Partymusik aus. Da das Camp an einem See liegt, hatte es entsprechend Mücken, welche in der Dämmerung nur darauf warteten eine Attacke zu fliegen. Nun, in unserem Auto waren wir vor den Biestern sicher und die, welche es doch noch schafften durch die zwischendurch offene Tür einzudringen, wurden durch unsere Geheimwaffe Mückorex innert Minuten umgebracht.

Auf dem Weg nach Tallinn kamen wir an der Klosteranlage Padise vorbei. Diese wurde offensichtlich in den letzten Jahren massiv aufgebaut und restauriert. Zugang bekommt man mit einem Code auf dem Ticket, aber offen ist erst ab elf Uhr.
Wir entschlossen uns direkt und auf Schnellstrassen bis zum Lahemaa Nationalpark durchzufahren. Dieser liegt etwa 50 Km östlich von Tallinn. Im Besucherzentrum beschafften wir uns Tipps und eine Karte und fuhren als Erstes zum Kap nordwestlich des Dorfes Vösu. Ein kurzer Spaziergang führt durch den Wald an die Landspitze. Dort liegen Hunderte dekorativer Steine im Wasser, kleine, aber auch mehrere Meter grosse Brocken. Die vorgelagerte, langgezogene Insel könnte man durchs Wasser watend erreichen, aber im Frühling ist die Wanderung gesperrt, um die dort brütenden Vögel nicht zu stören. Einige Unentwegte konnten wir beim Baden im Meer beobachten. Ich glaube, für uns «Vrenelis» wird das Wasser auch im Hochsommer nie warm genug. Die nächste Halbinsel führt hoch bis zum nördlichsten Punkt Estlands. Allerdings muss man noch etwa einen Kilometer über Stock und Stein stolpern, um dorthin zu gelangen. Viel anders schaut ja das ganze nicht aus, auch ist die Landschaft nicht spektakulärer als gleich daneben, aber es ist halt der nördlichste Punkt.
Zum Übernachten wählten wir einen speziellen Campingplatz aus. Auf dem Grundstück eines Künstlers ist ein Campinplatz mit nur gerade zehn Stellplätzen eingerichtet. Man übernachtet quasi im Garten des Gastgebers. Die sehr gepflegte und grosszügige Anlage ist voll mit Holzstatuen des Hausherrn. Alles sind es Frauen in verschiedenen Posen und auch gerne mal mit einem Mann zusammen. Auch seine Bilder kennen nur ein Sujet: Frauen. Er selbst ist ein sympathischer und witziger Geselle. 

Wir hatten es heute nicht eilig mit aufbrechen, denn wir wollten zwar noch einige Einkäufe erledigen, aber erst am Nachmittag die Stadt Tallinn besichtigen. Wir fuhren einmal mehr über Landstrassen und machten einen ersten Halt bei einem alten Wehrturm. Dieser ist schön restauriert und beherbergt heute ein Kaffee.
Der Wasserfall Jägala ist einer der grössten im Land. Er stellt sich landschaftlich als recht hübsch heraus, aber seine 6 m Höhe und das bescheidene Wasservolumen kann einen Mitteleuropäer kaum beeindruckten.
Bevor wir ins bedeutend teurere Finnland wechseln, kauften wir einige Vorräte ein. Vor allem Wein und Bier wurde gebunkert, aber auch der Tank des Landcruisers wurde noch bis zum Rand gefüllt.  Wir parkten am Hafen auf einem recht ruhigen Parkplatz, bevor wir uns zur Stadtbesichtigung aufmachten.        

Der erste Anlaufpunkt war die Linnahall, gleich neben den Hafenanlagen gelegen. Das ist ein riesiges Überbleibsel von der Olympiade 1980 in Russland. In der Halle wurden einige Wettkämpfe ausgetragen, aber seitdem die Russen abgezogen sind, verfällt das hässliche Gebäude zusehens.    
Die Altstadt von Tallinn ist einmal mehr ein Bijou. Fast der komplette Stadtkern ist hervorragend restauriert und besteht fast ausschliesslich aus historischen Gebäuden. In der Oberstadt liegt das Botschaften-Viertel und das Parlament Estlands. Aber auch eine eindrückliche orthodoxe Kirche schmückt das Quartier. Von zwei Aussichtsplattformen geniesst man die Aussicht hinunter auf die Altstadt. Wir hatten bisher nur an vier Tagen Regen. Dreimal traf es uns bei einer Stadtbesichtigung. So auch hier in Tallinn. Innerhalb weniger Minuten verdunkelte sich der Himmel und ein kurzer Platzregen zwang uns Schutz zu suchen. Nur kurze Zeit später erwischte es uns gleich noch einmal. Schnell flüchteten wir in eine Bar und konnten von dort die Leute im Regen draussen beobachten. Wir fanden, dass Tallinn eine der positiven Überraschungen, was Städte anbelangt, ist. Auch wenn bereits jetzt eine grosse Anzahl Gruppen von den Kreuzfahrtschiffen die Altstadt bevölkern, ist der Spaziergang durch die Altstadt ein Genuss. Die Restaurants im Zentrum hingegen konnten uns nicht begeistern, sodass wir es vorzogen, uns im Auto zurück eine Pause zu gönnen, um dann im alten Hafen unser Nachtessen einzunehmen.  


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Kommentare: 1
  • #1

    Catherine (Montag, 13 Mai 2024 20:05)

    Danke für den Reisebericht, wünsche euch weiterhin gute Weiterfahrt. Liebe Grüsse Catherine