Wir wollten den Sommer noch etwas verlängern, nachdem unser Trip nach Island ja nicht wirklich für sommerlich warmes Wetter gedacht war. Wir hatten ein etwa zweiwöchiges Zeitfenster und beschlossen, uns in Norditalien etwas umzusehen.

Unsere primären Zielregionen waren die Westalpen, Ligurien und die Toskana. Zu guter Letzt wollten wir Venedig einen Besuch abstatten, bevor es durchs Südtirol wieder in die Schweiz zurückgehen sollte.

 

Insgesamt legten wir in der kurzen Zeit fast 3000 km zurück und unser Land Cruiser musste total 37000 Höhenmeter hochkraxeln.

Die Karte kann beliebig gezoomt werden, so dass die Details besser ersichtlich sind.


Westalpen

Auf direktem Weg fuhren wir zum Grossen St. Bernhard Pass und weiter ins Aosta Tal. In der ehemaligen Römerstadt Aosta deckten wir uns mit Lebensmitteln für die kommenden Tage ein. Da das Tal stark besiedelt und von viel Verkehr geprägt ist, entschlossen wir uns, weiter über den kleinen Sankt Bernhard Pass nach Frankreich zu fahren, um dort einen ruhigen Übernachtungsplatz zu suchen. Am Fluss Isère wurden wir bald fündig. Wir genossen das Buschcamp im schattigen Wald und genehmigten uns erst mal einen feinen Apéro.

Am folgenden Morgen ging es auf der „Grande Route des Alpes“ südwärts. Es hatte erstaunlich wenig Verkehr und das Wetter spielte ebenfalls mit. Auf dem Col d’Iséran, mit 2770 müM einer der höchsten Alpenpässe, machten wir einen ersten Halt und bewunderten die Aussicht in die Bergwelt. Über den Col du Mt. Cenis gelangten wir zurück nach Italien. Nun schienen die Leute aber aufgewacht zu sein, denn viele waren unterwegs in die Berge. Trotz allem hielt sich der Verkehr aber in Grenzen. Bei Susa beginnt der kurvenreiche Anstieg zum Col delle Finestre, dem Ausgangspunkt zur Assietta Kammstrasse. Schon bald war uns aufgefallen, dass wir immer wieder Geländemotorrädern mit Startnummern begegneten. Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmer der Tour San Remo – Sestrière auf derselben Strecke wie wir unterwegs waren. Das machte die Fahrt auf der Bergpiste sehr staubig und auch etwas mühsam, da immer wieder die schnelleren Motorräder zum Überholen ansetzten. Bei einem Halt am Col de Assietta wurde Ueli von einem der Teilnehmer angesprochen. Wie sie feststellten, hatte Ralf in den 1990er Jahren mit ihm zusammen an der Raid de l’Amitié in Marokko teilgenommen. Damals war er in seinem Land Cruiser unterwegs, hatte aber für die aktuelle Veranstaltung aufs Motorrad umgesattelt. Wieder einmal zeigte sich, wie klein die Welt ist. Nach gut 40 km Bergpiste gelangten wir schliesslich nach Sestrière hinunter. Da die Nächte in grosser Höhe bereits recht kalt waren, wollten wir im Tal übernachten. In Cesane Torinese richteten wir uns auf einem Stellplatz ein und gingen anschliessend ins nahe gelegene Dorf, um einen Aperitif zu geniessen. Zum Glück hatten wir einen Platz unter der Markise ausgewählt, denn kurz nach unserem Eintreffen zog ein Gewitter über uns hinweg. Nachdem sich das Wetter etwas beruhigt hatte, gingen wir zum Auto zurück, um dann später zum Nachtessen nochmals in den Ort zu spazieren.

 

Am folgenden Morgen bedeckten zuerst Restwolken den Himmel, es klarte jedoch bald auf. Die Strecke führte uns über den Col du Montgenèvre wieder nach Frankreich zurück. Vorbei an der Festungsstadt Briançon stieg die Strasse nach kurzer Zeit wieder an zum landschaftlich schönen Pass Col d’Izoard. Vor allem auf der Südseite des Überganges ragten interessante Felstürme in die Höhe. Kaum im Tal angekommen, bogen wir wieder Richtung Italien ab. Noch einmal kletterten wir bis auf fast 2800 müM hoch zum Col dell’Agnello, einem ebenfalls eindrücklichen, wenn auch weniger bekannten Pass zwischen Frankreich und Italien.

 

 

Um zur Maira Stura Kammstrasse, eine weitere alte Militärpiste, zu gelangen, mussten wir erst über den Colle di Sampéyre ins Maira Tal fahren. Die enge und sehr steile, kurvenreiche Strasse verlangte sowohl dem Chauffeur als auch dem Auto einiges ab. Wir hatten bereits vom Tal aus gesehen, dass immer mehr tiefliegende Wolken aufzogen. Auf der Passhöhe angekommen, steckten wir tatsächlich im dichten Nebel, welcher uns die eigentlich grandiose Aussicht verdeckte. Als wir etwas tiefer wieder freie Sicht hatten, erblickten wir den Bergzug, auf welchem die Maira Stura Kammstrasse verläuft. Leider waren auch diese Berge in den Wolken versteckt und es machte unter diesen Wetterbedingungen keinen Sinn, die Strecke zu befahren. Wir fuhren deshalb direkt nach Cuneo, um dort zu übernachten.

Ligurien

Am Dienstag findet in Cuneo der grosse Markt statt und diesen wollten wir vor unserer Weiterfahrt besuchen. Wir waren natürlich nicht die einzigen, die dort einkaufen wollten, entsprechend schwierig war es, einen zentrumsnahen Parkplatz zu finden. Nach einigem Suchen hatten wir jedoch Glück. Der Wochenmarkt stellte sich in erster Linie als Warenmarkt heraus, was uns nicht so sehr interessierte. Nach einem kurzen Bummel zwischen den Ständen suchten wir daher die schöne Markthalle auf, wo der tägliche Lebensmittelmarkt stattfindet. Wir schwelgten im reichhaltigen Angebot und deckten uns mit frischem Gemüse und Früchten ein. 

 

Da wir die Küste von Ligurien und Südfrankreich bereits ein paar Jahre zuvor besucht hatten, fuhren wir auf der Autobahn direkt bis ins Gebiet der Cinque Terre. In Levanto wollten wir unsere Basis in einem Campingplatz einrichten und von dort aus die Küste zu Fuss und mit dem Zug erkunden. Leider mussten wir jedoch feststellen, dass sämtliche Campingplätze übervoll und auf mehrere Tage ausgebucht waren. Alternative Übernachtungsmöglichkeiten sind in dieser Gegend kaum vorhanden. Wohl oder übel mussten wir unsere Pläne ändern und weiter fahren. Erst im Hinterland von La Spezia fanden wir schliesslich einen Platz in einem akzeptablen Camping.

Region Maremma

In Anbetracht der übervollen Campingplätze konnten wir uns vorstellen, wie stark die ganze Region noch von Touristen bevölkert sein musste, also beschlossen wir, ganz auf Cinque Terre zu verzichten und weiterzufahren.

Als nächstes Ziel hatten wir Lucca ausgewählt. Davon, dass die Stadt im 13. und 14. Jahrhundert zu den bedeutendsten Orten Italiens zählte, zeugen heute noch viele wuchtige Kirchen und Türme. Mitten in der Altstadt befindet sich zudem die malerische Piazza del’Amfiteatro. Zwar ist vom einstigen römischen Amphitheater nicht mehr viel zu sehen, aber Häuserreihen entlang der ursprünglichen, ovalen Form bilden einen herrlichen, abgeschlossenen Platz. Generell ist die Altstadt gut erhalten und wird  entsprechend gerne besucht.
Pisa mit seinem schiefen Turm und der mächtigen Kathedrale ist nur einen Katzensprung von Lucca entfernt. Auch hier zeigte sich wie an anderen Hotspots, dass sich die durch die CORONA Pandemie massiv zurück gegangenen Besucherzahlen bereits wieder stark erholt hatten. Jedenfalls bildeten sich vor dem Schiefen Turm und dem Eingang zur Kathedrale lange Schlangen. Die Umgebung der weitläufigen und grosszügig gestalteten Anlage sowie die Altstadt, konnten wir jedoch ohne übermässiges Gedränge geniessen.

 

Uelis Familie hatte in seiner Jugendzeit mehrmals Ferien in einer Bungalowanlage bei Follonica verbracht. Da wir sowieso durch diese Gegend kamen, wollte er sich unbedingt dort umschauen und sehen, wie sich die Region seither entwickelt hat. Der alte Torre Mozza steht noch immer wie vor fünfzig Jahren an seinem Platz. Die Bungalows und auch die einfachen Bretterhäuschen nördlich des Turmes sind jedoch allesamt verschwunden. Dass bis heute nichts Neues an deren Stelle gebaut wurde, lässt vermuten, dass die ganzen Gebäude damals illegal errichtet worden waren und irgendeinmal hatten zurückgebaut werden müssen. Der Strand scheint aber nach wie vor sehr beliebt zu sein, was die grossen, auch um diese Jahreszeit gut gefüllten  Parkplätze direkt hinter dem Strand deutlich zeigten.
Ueli hatte einen Übernachtungsplatz unweit von Grossetto herausgesucht und die Koordinaten ins GPS eingegeben. Wir wunderten uns zwar über die lange Anfahrtstrecke, die das GPS anzeigte, folgten diesem jedoch ohne weitere Gedanken darüber zu verlieren. Schliesslich landeten wir in den Bergen, am Ende einer steilen und steinigen Piste vor einem wunderschönen Anwesen. Von einem Campingplatz war hier aber weit und breit nichts zu sehen. Nun überprüfte er doch die Eingabe und stellte fest, dass ihm beim eintippen der Koordinaten ein Fehler unterlaufen war. Nur durch Zufall war der falsch eingegebene Ort überhaupt anzufahren gewesen. Zum Glück fanden wir jedoch ganz in der Nähe einen schönen und ruhigen Camping. Dort genossen wir die herrliche Aussicht über die Maremma und zu guter Letzt einen spektakulären Sonnenuntergang.

Schon recht früh am nächsten Morgen erreichten wir die Thermen von Saturnia, die Cascate del Mulino di Saturnia. Wir waren überrascht, wie viele Fahrzeuge um diese Zeit bereits auf dem Parkplatz standen und stellten bald fest, dass wir definitiv nicht die ersten Besucher waren, die die warmen Quellen im Visier hatten. Angesichts der doch schon beträchtlichen Menschenmenge und auch weil wir bei dem warmen Wetter sowieso nicht wirklich Lust hatten, ins warme Schwefelwasser einzutauchen, begnügten wir uns mit einer Besichtigung der Anlage. Wir waren sehr erstaunt, dass der Besuch dieser Naturpools, mit Ausnahme der Parkplatzgebühren, kostenlos ist.
Die Häuser des malerischen, mittelalterlichen Städtchens Pitigliano liegen dichtgedrängt auf einem Bergrücken. Bei der Anfahrt von Süden erhält man den besten Blick auf die ausserordentlich schöne Silhouette der Stadt. Unser nächstes Ziel war aber der Ort Sovana und die unweit davon gelegenen etruskischen Grabanlagen sowie die aus den Tufffelsen gehauenen Hohlwege in der Gegend. Sovana selber ist ein verschlafenes Dorf, dessen Kern aber sehr schön erhalten ist. Von der etwa 2000 Jahre alten Kultur der Etrusker ist im Ort nicht mehr sehr viel zusehen. Von den rund herum liegenden Grabstätten sind einige herausgearbeitete Nischen und Statuen zu besichtigen. Gut erhalten sind hingegen die in den weichen Tuffstein geschlagenen Hohlwege, welche die Siedlungen in der Vergangenheit verbunden haben.

 

Nicht weit entfernt liegt das Städtchen Sorano. Auch hier wurden viele Gebäude aus dem leicht bearbeitbaren Tuff erstellt. Auffallend sind vor allem viele fantasievolle Torbögen bei Hauseingängen in der Altstadt. Mitten im Ort steht ein natürlicher Tuffsteinfels, in welchem im unteren Bereich Vorratsräume und teils Wohnhöhlen herausgeschlagen worden waren, während oben eine grosse Plattform geschaffen wurde, welche eine schöne Aussicht auf die Dächer des Ortskerns und die Umgebung ermöglicht.

Die bekannten Weinstädtchen der Toscana

Wir fuhren nach Montepulciano, eine der bekanntesten Weinstädte der Region. In den schmalen und steilen Gassen bieten unzählige Enotecas eine grosse Auswahl an lokalen Spezialitäten an. Daneben reihen sich Restaurants, Souvenirshops und was der Besucher sonst noch so erwartet, entlang der malerischen Gässchen. Nach einem Spaziergang durch den Ort setzten wir die Fahrt Richtung Montalcino fort. Für die Nacht installierten wir uns in einem mit grossen Bäumen bestandenen Areal, direkt in den Weinbergen der Region. Wir waren echt froh, dieses Buschcamp, welches der in der Nähe wohnende Besitzer offensichtlich toleriert, gefunden zu haben, denn viele gute Optionen zum Campen bietet die Region nicht.
In Montalcino war Wochenmarkt. Das eher bescheidene Angebot war offensichtlich vorwiegend auf die einheimische Bevölkerung ausgerichtet und nicht um Touristen anzulocken. Auch dieses hübsche Mittelalterstädtchen liegt, wie viele andere in der Region, auf einem Bergrücken. Neben mehreren Kirchen aus dem 15./16. Jh. sind im kleinen Ort auch Teile der Stadtmauer und Stadttore gut erhalten geblieben.  

Die Provinzhauptstadt Siena wartet mit weit grösseren Dimension auf. Viele Gebäude in der Altstadt, vor allem rund um die Piazza del Campo, zeugen vom grossen Reichtum und der bewegten Geschichte Sienas in den vergangenen Jahrhunderten. Der mächtige Dom von Siena beeindruckt mit seiner schwarz-weissen Marmorfassade und dem üppig ausgestatteten Innenraum auch heute noch.

Eine knappe Fahrstunde nach Nordwesten erreichten wir San Gimigniano, auch "Stadt der Türme" genannt. Von den einst 72 sogenannten Geschlechtertürmen existieren heute noch 15. Im 13. und 14. Jh. versuchten die mächtigen Patrizierfamilien Ihren Reichtum anhand von entsprechend hohen Turmbauten zu demonstrieren. So entstanden immer höhere Gebäude, welche neben dem Prestige auch eine Schutzfunktion für den Fall eines Angriffs auf die Stadt ausübten. Die höchsten der erhaltenen Türme erreichen Höhen von bis zu 54 m. Nachdem wir mit viel Geduld endlich einen Parkplatz gefunden hatten, konnten wir unseren Bummel durch den sehr gut besuchten Ort geniessen und uns vom wunderbar erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern und dessen Sehenswürdigkeiten beeindrucken lassen.

 

Anschliessend wollten wir nach Vinci, die Geburtsstadt von Leonardo da Vinci, fahren. Hier interessierte uns vor allem das zu Ehren des Gelehrten errichtete Museum. Wie so oft wäre der Besuch dort jedoch nur mit vorhergehender Reservation im Internet möglich gewesen. Nachdem mehrere Versuche diesbezüglich fehlgeschlagen waren und niemand per Telefon erreichbar war, mussten wir diesen Plan leider begraben. Wir fuhren stattdessen direkt weiter zum Stadtcamping in Florenz.

Florenz

Wohl eine der schönsten und bekanntesten Städte der Welt zieht auch in dieser Jahreszeit entsprechend viele Besucher an. Allerdings hielt sich zu unserer Freude der Andrang in Grenzen. Wir liessen uns mit dem Camping Shuttlebus in die Nähe der Altstadt bringen und spazierten dem Fluss Arno entlang zur alten Brücke und gelangten über diese direkt in die Altstadt. Ähnlich wie in Siena liegen auch hier rund um den Hauptplatz, der Piazza della Signoria, einige der eindrücklichen Paläste und Gebäude aus der Zeit der Medici. Ebenfalls zu bewundern sind mehrere der bekannten Marmorstatuen der grössten Steinbildhauer der damaligen Zeit, u.a. eine Replik von Michelangelos David, dem wohl berühmtesten Meisterwerk mittelalterlicher Steinbildhauerkunst.  
Um die Originale der Skulpturen und Bilder aller berühmten Künstler, die in Florenz gewirkt hatten, zu besichtigen, müssten mehrere Museen besucht werden. Der Zugang zu den Ausstellungen erforderte jedoch stundenlanges Anstehen, sodass wir uns darauf beschränkten, die eindrücklichen Sehenswürdigkeiten von aussen zu bestaunen. In einem Lokal mit Blick auf den Dom genossen wir einen Aperitif und suchten uns online eines der vielen Restaurants für das Nachtessen aus. Was liegt in Florenz näher, als eine Bistecca alla Fiorentina zu wählen? Nachdem der Gast die Grösse des Steaks bestimmt hat, wird dieses vom ganzen Stück geschnitten und landet unverzüglich auf dem Grill. Unsere Bestellung von ca. 800 g erschien dem Kellner etwas "mager", also landete schliesslich ein gutes Kilogramm von dem herrlichen Fleisch auf dem Teller und wir waren nicht überfordert damit. Der Preis für die hervorragende Mahlzeit war für Florenz erstaunlich günstig. Die Bistecca wird per Kilo verkauft und kostete inkl. Zubereitung, nur etwa halb so viel wie das Fleisch beim Metzger in der Schweiz.
Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem öffentlichen Bus noch einmal in die Stadt, um den grossen Markt zu besuchen. Das Angebot war unglaublich und wir nutzten dieses, um unsere Vorräte an haltbaren und vor allem frischen Lebensmitteln aufzustocken. Wir wünschten uns, dass wir zu Hause Zugang hätten zu einem vergleichbaren Markt mit so frischen, lokalen, vielseitigen Produkten, da könnten uns die ganzen Supermärkte in der Schweiz definitiv gestohlen bleiben…

Auf dem Weg nach Venedig

Nachdem wir unsere Markteinkäufe verstaut hatten, liessen wir Florenz hinter uns und fuhren in die Berge östlich der Stadt. Die vorangegangenen Tage hatten wir fast ausschliesslich im Auto und in Städten verbracht, deshalb zog es uns wieder einmal in die Natur. In San Benedetto in Alpe quartierten wir uns am frühen Nachmittag in einem einfachen Camping ein. Wir nutzten das herrliche Wetter für eine Wanderung, welch direkt vom Platz aus startete. Der Weg führte in ein weitgehend unberührtes Tal hinein, an dessen Ende ein Wasserfall zu bestaunen ist. Durch schattigen Wald erreichten wir nach etwa 1 Std. den Wendepunkt der Wanderung. Jetzt im Spätsommer fiel allerdings nur ein kleines Rinnsal über die hohe Felswand. Da Wochenende war, hatten auch viele Einheimische den warmen Tag genutzt, sodass wir sicher zwei Dutzend Leute beim Wasserfall antrafen. Einige von ihnen liessen sich von den kühlen Wassertemperaturen von max. 15° nicht von einem Bad im natürlichen Pool abhalten. Nachdem wir wenigstens unsere Füsse gekühlt hatten, traten wir auf demselben Pfad den Rückweg an. 
Uns war bereits am Mittag aufgefallen, dass das zum Camping gehörende Restaurant von aussenstehenden Gästen, alles Italiener, gut besucht war. Wir werteten dies als gutes Zeichen und beschlossen, dort unser Nachtessen einzunehmen. Wir wurden nicht enttäuscht. Die hausgemachte Pasta auch die anderen Gerichte schmeckten hervorragend und die Portionen waren riesig.

 

Wir verliessen die Berge und erreichten die Poebene. Die flache Landschaft war geprägt von grossen, eintönigen Agrargebieten. Der Besuch von Comacchio, am Nordende der gleichnamigen Lagune gelegen, brachte eine willkommene Abwechslung. Die Kleinstadt im Po Delta ist, ähnlich wie Venedig, von mehreren Kanälen durchzogen. Zahlreiche Kirchen und Brücken, die teils aus dem Mittelalter stammen, prägen die malerische Altstadt. Comacchio ist seit Jahrhunderten bekannt für seine Aalzuchten in den Lagunen. Jedes Geschäft und jedes Restaurant bietet die Spezialitäten, vor allem marinierten Aal, an. Das verschlafenen wirkende Städtchen ist neben Venedig natürlich viel bescheidener, einen Besuch aber auf jeden Fall wert.

 

Wir überquerten den mächtigen Po kurz bevor er sich durch das weitläufige Delta ins adriatische Meer ergiesst. Ein Abstecher in das von mehreren Nebenarmen des Po durchzogene Mündungsgebiet zeigte uns auf, dass naturbelassene Landschaften kaum ohne Boot zugänglich sind und der Grossteil der Fläche landwirtschaftlich genutzt wird, nicht zuletzt für den Reisanbau.
Wir fanden problemlos einen Platz im stadtnahen Camping Rialto, von dem das Zentrum Venedigs bequem in 15 Minuten mit dem Bus zu erreichen ist.

Venedig

Schon vor neun Uhr machten wir uns auf den Weg in die Stadt. Die Bushaltestelle liegt direkt gegenüber dem Campingplatz und nach einer knappen Viertelstunde befindet man sich im Zentrum Venedigs. Als erstes beschafften wir uns Tageskarten für das öffentliche Verkehrsnetz. Diese beinhalten unter anderem auch die Vaporetti, Boote welche auf den Kanälen verkehren. Für die Fahrt zum Markusplatz wählten wir eine Route, welche die Stadtinsel auf der Südwestseite umfährt. So erhielten wir einen ersten Eindruck von der Lagunenstadt und konnten die berühmte Piazza San Marco vom Meer her ein erstes Mal bewundern. Anschliessend ging es zu Fuss auf Stadtbummel. Obwohl bedeutend weniger Besucher unterwegs waren als vor COVID, bildeten sich vor den bekanntesten Museen, Kirchen und Palästen beträchtliche Warteschlangen. Da wir nicht den halben Tag in der Kolonne wartend verbringen wollten, beschränkten wir uns auf einen ausgedehnten Fussmarsch durch die Stadt. Die prunkvollen Gebäude, Paläste, Kirchen und die grosszügigen Plätze zeugen noch heute vom unglaubliche Reichtum der Stadt in vergangenen Zeiten. Vorbei an all diesen eindrücklichen Sehenswürdigkeiten gelangten wir zu einem der berühmtesten Baudenkmäler, zur Rialto Brücke. Der Gang über den im Jahr 1591 eingeweihten Übergang über den Canale Grande ist ein Muss bei einem Venedig Besuch. Das Bauwerk selber, die sehenswerten Gebäude links und rechts und der Kanal liefern unzählige einmalige Fotosujets.
Wir suchten unseren Weg durch die engen Gassen, um zur Anlegestelle für die Fahrt nach Murano zu gelangen. Mit dem Schiff setzten wir über und schlenderten durch die hier viel grosszügiger gestalteten
Gassen der Insel. Die berühmten Glaswaren von Murano waren natürlich allgegenwärtig. Viele Ateliers, jedes mit seinem eigenen Stil, fertigen aus dem fragilen Werkstoff vom einfachen Glas bis hin zu unglaublichen Kunstwerken. Der Blick in die Schaufenster der unzähligen Läden liess das Herz höher schlagen. Das Glasmuseum war leider geschlossen, es öffnet wie einige andere Museen Venedigs, nur donnerstags bis sonntags seine Tore.  
Zurück auf der Hauptinsel stellte Ueli fest, dass er seinen ÖV Tagespass verloren hatte. Zähneknirschend blieb ihm nichts anderes übrig, als für die Rückfahrt zum Busbahnhof noch einmal ein Einzelticket zu kaufen. Erst umrundeten wir jedoch mit dem Vaporetto die Hauptinsel auf der Ostseite und stiegen vor dem Markusplatz auf die Linie 1 um, welche auf dem Canale Grande durch die ganze Stadt führt. Was für ein herrlicher Abschluss unseres Venedig Besuches, so vorbei an den prachtvollen Palazzi, Museen und Kirchen, unter der Rialto Brücke hindurch bis in die Nähe des Busbahnhofs zu gelangen. Im angrenzenden Quartier genossen wir ein weiteres Mal einen Aperitif und anschliessend ein feines Nachtessen.
Müde und mit über 15‘000 Schritten in den Füssen liessen wir uns vom Bus zurück zum Campingplatz fahren.

Richtung Heimat

In Ponte del Piave wohnt ein Freund von Ueli, den er bei einer Rallye di Sardegna kennengelernt hatte. Zwar sind seit damals einige Jahre vergangen und sie hatten inzwischen nur wenig Kontakt gehabt, trotzdem meldeten wir uns bei ihm und Mirco freute sich auf das überraschende Wiedersehen. Wir schlugen also gerne einen kleinen Umweg ein und trafen ihn für einen Kaffee. Natürlich hatten sich die beiden einiges zu erzählen und konnten alte Rallye Abenteuer wieder aufleben lassen. Wir wollten ein paar Flaschen Raboso kaufen, ein Wein aus einer wenig bekannten Rebsorte, die Ueli von früheren Besuchen im Piave kannte. Auf Anfrage gab uns Mirco die Adresse eines Winzers in der Nähe, der die Spezialität keltert. Also fuhren wir nach der Verabschiedung zur Casa Roma, etwa zwanzig Minuten von Ponte del Piave entfernt. Wir wurden dort freundlich empfangen und gut beraten, sodass unser "Weinkeller" mit ein paar Flaschen gefüllt wurde.
Nächster Halt war Treviso. Die kleine, touristisch wenig bekannte, aber sehr reizvolle Stadt wird von mehreren Flussarmen durchzogen. Im historischen Ortskern stehen nebst dem Dom aus dem 12. Jh. mehrere weitere Kirchen mit mittelalterlichem Hintergrund. Auch das nicht weit entfernte Städtchen Bassano del Grappa zeigte sich für einen kurzen Bummel sehr lohnenswert. Neben einer schönen Altstadt beeindruckte uns vor allem die im 13. Jahrhundert entstandene Holzbrücke über den Fluss Brenta. Obwohl im Ort mehrere Grappa-Destillerien angesiedelt sind, hat der Name des Ortes nichts mit dem Getränk zu tun, sondern leitet sich vom benachbarten Monte del Grappa ab. 

Zum Übernachten hatten wir einen Stellplatz auf einem Weingut ausgewählt. Erst bei der Anfahrt erinnerte sich Ueli daran, dass er vor über vierzig Jahren schon einmal in Breganze gewesen war, damals um das Motorradwerk der Marke Laverda zu besuchen. Er war zu jener Zeit im Besitz einer Laverda und wurde mit Freude zu einer Werksbesichtigung eingeladen. Die Marke ist unterdessen verschwunden und die Fabrik geschlossen.
Wir wurden auf dem Weingut Vitacchio Emilio vom Junior Chef empfangen und sogleich an seine Mutter weitergeleitet. Diese liess es sich nicht nehmen uns, bevor wir uns auch nur eingerichtet hatten, zu einer Weindegustation einzuladen. Das Weingut produziert neben bekannten Weinen aus Trauben wie Merlot und Cabernet Sauvignon vor allem auch einige uns völlig unbekannte Sorten. Reben wie Vespaiolo, Refosco, Fortolongo und weitere, die uns weitgehend unbekannt waren, wachsen in ihren Weinbergen. Wir waren gespannt wie uns diese Spezialitäten schmecken würden. Einer nach dem anderen wurde uns kredenzt und begeisterten uns mal mehr und mal weniger. Besonders beeindruckt waren wir vom Torcolato, einem süssen Dessertwein, für welchen die Trauben bis in den Januar auf Gestellen trocknen, bevor sie gepresst und gekeltert werden. Auch wenn wir nach der Degustation keinen Grosseinkauf tätigten, freute sich die Mama, dass uns ihre Weine schmeckten. Neben vielen weiteren Geschichten, die sie uns erzählte, erwähnte sie auch, dass das Weingut bereits in der vierten Generation betrieben wird und in diesem Jahr das hundertjährige Bestehen feiern konnte.

Nach einer ruhigen Nacht inmitten der Rebberge fuhren wir nach Verona, der Stadt von Romeo und Julia. Neben vielen Palazzi und Kirchen aus dem Mittelalter finden sich in Verona zahlreiche, teils gut erhaltene Zeugnisse aus der Römerzeit. Das wohl beeindruckendste Bauwerk jener Zeit ist das Amphitheater, mitten im Stadtzentrum, welches in den Sommermonaten für die Durchführung von verschiedenen Konzerten genutzt wird. Verglichen mit den anderen besuchten Orten waren in Verona viel mehr Touristen anzutreffen. Wir gingen davon aus, dass viele Besucher vom nahe gelegenen Gardasee her kommend einen Tagesausflug unternahmen.
Dass dieser von Touristen offenbar überschwemmt war, merkten wir, als wir das Ostufer des Sees erreichten. Wir landeten in einem veritablen Verkehrschaos. Im Schritttempo und im Stopp-and-Go Betrieb schlichen wir durch die engen Orte. Dass wir kaum vorwärtskamen, verleidete uns bald, sodass wir bei der nächstbesten Gelegenheit den Gardasee hinter uns liessen und auf der Parallelroute Richtung Trento fuhren. Angesichts dieser Massen rechneten wir, dass die am Wasser gelegenen Campingplätze ohnehin voll sein würden. Weitere Angebote zum Campen sind in dieser Region zudem mager, also suchten wir uns einen Platz etwas entfernt vom Trubel und wurden nicht enttäuscht. Ein gut ausgestatteter und ruhig gelegener Camping hoch über Trento bot uns die ideale Übernachtungsmöglichkeit.

Wie erwartet, hatte das Wetter während der Nacht umgeschlagen, die Wolken hingen tief und es regnete immer wieder. Da die Aussichten nur zögerlich besseres Wetter versprachen, fuhren wir auf der Autobahn bis Meran und weiter durch das Vinschgau. Auch hier zeigte sich, dass Ferien in Südtirol im Herbst bei vielen Urlaubern vor allem aus Deutschland sehr beliebt sind. Die Strassen waren in beide Richtungen stark befahren und das Vorwärtskommen in den Ortschaften nur mühsam möglich. Das Wetter wurde und wurde nicht freundlicher, sodass wir die geplante Fahrt über das Stilfserjoch strichen und dafür über den Reschenpass Richtung Engadin fuhren.  

 

Da unser Tank fast leer war, beschlossen wir, einen Umweg nach Samnaun zu fahren und dort günstigen Diesel aufzufüllen. Inzwischen war das Wetter zwar etwas freundlicher und mehrheitlich trocken, trotzdem entschieden wir, direkt nach Hause zu fahren. 
So wurde aus einem ursprünglich gemütlich geplanten Heimweg ein sehr langer Fahrtag, an dessen Ende wir kurz nach 19 Uhr zu Hause ankamen. 


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