British Columbia - August 2016

Auf den „Alaska“ und „Cassiar Highways“ unterwegs

Bei Teslin schauten wir im bescheidenen General Store nach, ob wir allenfalls hier eine kleinere Packung Eier finden könnten. Für uns war das Einkaufen im Supermarkt oft schwierig, da alles hauptsächlich in Grosspackungen angeboten wurde und wir weder Bedarf noch Platz für diese riesigen Mengen an Lebensmittel hatten. Die kleinste Packung Eier war jedoch auch hier ein Karton mit zwölf Stück. Wie bestellt, aber völlig überraschend, trafen wir vor dem Laden Cel und Dani wieder an und konnten ihnen die Hälfte unserer Eier überlassen.

Über die längste Brücke des Alaska Highways ging es weiter bis an die Grenze zu den Yukon Territories. Am Morley Lake übernachteten wir in einer der vielen Recreation Areas. Diese kleinen, einfachen, aber immer sehr schön angelegten und gut gelegenen Campingplätze konnten kostenlos genutzt werden und hatten den Vorteil, dass sie für die Busse wie wir die monströs grossen Wohnmobile und Wohnwagen nannten, nicht zugänglich waren, da sie schlicht keinen Platz hätten und die für sie lebensnotwendigen Annehmlichkeiten wie Strom, Wasser- und Abwasseranschlüsse nicht vorhanden waren.

Bald gelangten wir an die Abzweigung auf den Cassiar Highway. Diese weit weniger befahrene Alternativroute zum Alaska Highway führte durch kaum berührte Landschaften. Am French Creek liessen wir uns nach einer nur kurzen Etappe wieder nieder und genossen den Nachmittag mit unseren Freunden, Cel und Dani, die sich uns für ein paar Tage angeschlossen hatten.

Myrta hatte sich eine Verdauungsstörung eingefangen, was uns dazu bewog, am Boya Lake, nach nur 30 km Fahrt, wieder zu campieren und einen oder zwei Ruhetage einzulegen. Cel und Dani wollten weiterfahren und wir vereinbarten, dass wir uns in Hayder wieder treffen würden. Wir liessen den ersten Tag in aller Ruhe und ohne grosse Aktivitäten verstreichen. Da uns das Brot ausging, versuchten wir unsere Backkünste zum ersten Mal im neu angeschafften Coleman Backofen. Schon bald duftete es bei uns wie in einer Bäckerei und das Resultat, ein feines, knuspriges Brot, konnte sich sehen lassen.

Am zweiten Tag fühlte sich Myrta bereits viel besser und wir konnten bei schönem, warmem Wetter eine kurze Wanderung dem Seeufer entlang unternehmen. Unsere Campingnachbarn boten uns zudem an, ihr Kanu für einen Ausflug zu nutzen. Der ruhige See mit seinem glasklaren Wasser, das in allen Blautönen leuchtete, war bestens geeignet, um vom Boot aus erkundet zu werden. Wir genossen die Tour auf dem Wasser sehr, obschon die Paddlerei für uns ungewohnt und damit ziemlich anstrengend war. Nach dem Nachtessen gingen wir nochmals ein Stück dem See entlang, denn wir hatten gehört, dass in einem schmalen Wasserlauf Biber aktiv waren. Tatsächlich konnten wir in der Abenddämmerung zwei der scheuen, nachtaktiven Tiere beobachten.

Unsere Nachbarn berichteten, dass sie in den beiden vergangenen Nächten Nordlichter beobachten konnten. Wir hofften natürlich, dieses Phänomen selber auch sehen zu können und blickten immer wieder gespannt in den Himmel. Normalerweise sind diese Lichterscheinungen viel weiter nördlich und vor allem im Winter zu sehen. Aussergewöhnlich starke Sonnenaktivitäten können jedoch dazu führen, dass die Lichter auch im Sommer und weiter südlich auftreten. Leider hatten wir den Zeitpunkt aber offenbar verpasst, denn in dieser Nacht war nichts mehr zu sehen.

Nach einer weiteren, kurzen Etappe südwärts fanden wir wieder einen, wunderschönen Übernachtungsort in einem Provincial Park am Kinaskan Lake. Der von uns gewählte Stellplatz hatte sogar einen direkten Zugang zum Sandstrand am See. Für uns als erklärte Weicheier war das Wasser zum Baden definitiv zu kalt, während andere Camper sich davon nicht abschrecken liessen und die Erfrischung genossen. Wie oft, wenn wir mit unserer Schweizer Autonummer auftauchten, lernten wir andere Schweizer kennen. Hier waren es Werner und Hanni aus Oberwil BL, die seit Jahren einen Wohnwagen in Kanada stationiert hatten und regelmässig für zwei Monate durch Kanada und Alaska reisten. 


Ein Abstecher nach Stewart und Hayder

Bei Meziadin Junction fuhren wir geradeaus Richtung Stewart. Direkt an der Strasse und beinahe auf Meereshöhe konnten wir den unteren Teil des imposanten Bear Glacier bestaunen, der sich mit seiner riesigen Gletscherkappe über den ganzen Bergrücken erstreckte. Das Wetter war zwar nicht eitel Sonnenschein, zeigte sich aber immerhin von der freundlichen Seite. Wir beschlossen, vorerst an Hayder vorbei zum Salmon Glacier hochzufahren. Eine 30 km lange Piste führte von Meereshöhe auf 1500müM hinauf, wo uns ein grandioser Ausblick auf den riesigen Gletscher erwartete, der von weit oben in den Bergen talwärts fliesst und sich dann in zwei Arme teilt. Den ursprünglichen Plan, beim Aussichtspunkt zu übernachten verwarfen wir rasch, denn die vielen Mücken machten uns das Leben schwer und zudem verschlechterte sich das Wetter wieder zusehends.

In der Talebene, am Salmon River, fanden wir einen passenden Übernachtungsplatz. Kaum waren wir eingerichtet und am Kochen, tauchten Dani und Cel wieder auf. Cel hatte sich für ihren Geburtstagsznacht einen frischen Lachs gewünscht, also hatte Dani die Angel ausgeworfen und tatsächlich einen kapitalen Fang gemacht. Der Lachs war so gross, dass auch für uns zwei Tranchen übrig blieben. Nach dem Essen machten wir ins zusammen auf zum Fish Creek, wo wir von der Beobachtungsplattform aus Bären beim Lachsschmaus beobachten wollten. Tatsächlich war der seichte Bach voller Lachse, welche hier ihren Laichplatz gefunden hatten. Naturgemäss endet das Leben der Fische, nachdem sie für Nachwuchs gesorgt hatten, entsprechend lagen neben den noch lebenden Tieren jede Menge bereits verendeter Lachse im Wasser. Scharen von Möwen, angelockt von der Nahrung im Überfluss, stritten sich um die besten Stücke. Die meisten Bärensichtungen waren laut Information in den vorangegangenen Tagen nach neun Uhr abends gemacht worden. Heute schienen die Grizzlys jedoch nicht hungrig zu sein, so dass wir gegen halb zehn zu unserem Camp zurückfuhren.

Morgens hingen die Wolken einmal mehr richtig tief und in der Nacht hatte es immer wieder geregnet, es gab für uns also keinen Grund, noch länger in der Gegend zu bleiben. Die Grenzformalitäten beschränkten sich diesmal auf eine Passkontrolle bei den Kanadiern, der Grenzposten auf der amerikanischen Seite war gar nicht besetzt . In Stewart deckten wir uns im kleinen Supermarkt mit Milch und Brot ein. Der Besitzer des Ladens, ein Schweizer, der seit vielen Jahren im Ort lebt, erzählte uns, dass die Einwohnerzahl von Stewart seit den 80er Jahren kontinuierlich von 2200 auf heute 500 Bewohner zurück gegangen sei, nachdem die Holzindustrie stark geschrumpft war.


Durch die nördliche Chilcotin Region

Für die Weiterreise war geplant, mit der Fähre von Prince Rupert direkt auf das Vancouver Island zu fahren und die beiden Regionen Chilcotin und Cariboo auszulassen. Diese Verbindung ist aber stark frequentiert, so dass ohne Reservation Monate im Voraus kaum Chancen bestehen, einen Platz zu ergattern. Wir mussten also einmal mehr unsere Reisepläne den Gegebenheiten vor Ort anpassen.

Von Stewart aus fuhren wir deshalb weiter dem Cassiar Highway entlang Richtung Süden. Bei Cranberry Junction bogen wir in die Wälder ab, um über New Aiyanish eine weniger bekannte Route zu befahren. In dieser Gegend leben noch sehr viele First Nation Leute - so die offizielle kanadische Bezeichnung für die Ureinwohner, also die Indianer. Viel ist diesen einst stolzen und unabhängigen Menschen nicht geblieben. Die Mehrzahl der Menschen lebt in Armut und ohne grosse Perspektiven. In einem an der Strecke liegenden Provincial Park konnten wir die Spuren eines Vulkanausbruchs des 18. Jahrhunderts in Augenschein nehmen.

In Rosswood, wo unter anderem die Familie Schönbächler wohnt, welche durch die Fernsehsendung Die Auswanderer und vor allem seit der Episode mit dem Absturz des kleinen Richi vom Traktor in der Schweiz grosse Bekanntheit geniesset, wurden wir von einem Einheimischen beim General Store angesprochen. Er fragte uns, ob wir Gemüse brauchen könnten, und da unser Kühlschrank ziemlich leer war, nahmen wir das Angebot gerne an und folgten ihm. Ein paar Kilometer ausserhalb des Ortes bewohnte er, zusammen mit vier verspielten und zutraulichen Huskys, eine einfache Hütte mitten in der Wildnis. In seinem Gemüsegarten grub er kurzerhand ein paar Kartoffeln aus und versorgte uns mit Kefen, Zucchetti und weiterem Gemüse. Nach kurzweiligen Gesprächen bei einem Kaffee  verabschiedeten wir uns von Alex und zogen weiter.

Prince Rupert gilt als die niederschlagsreichste Stadt ganz Kanadas, also waren wir nicht verwundert, dass sich das Wetter wieder verschlechterte. Wie erwartet, war die Fähre für die kommenden Tage ausgebucht und wir hatten keine Lust, in dieser regnerischen Stadt mehrere Tage auf einen möglichen Standby Platz zu warten. Ausserdem wäre bei dieser Witterung die Fährpassage der malerischen Küste entlang, zumindest im nördlichen Teil, neblig und von Regen begleitet gewesen, also nicht wirklich lohnenswert.

Bevor wir definitiv weiterfuhren, besuchten wir die ehemalige Lachskonservenfabrik, welche zu einem Museum umfunktioniert worden war. Anhand der Gebäude und der noch vorhandenen Maschinen und Einrichtungen konnten wir uns einen guten Eindruck dieser einstmals wichtigen Industrie verschaffen. Bis in die 1990er Jahre verarbeiteten in der Gegend über 200 Fabriken, Lachse, welche im Sommer auf ihren Laichzügen tonnenweise gefangenen wurden. Wie Bilder in der Fabrik belegten, wurden die Fische damals mit Haut und Gräten, d.h. ohne Kopf und Schwanz in Tranchen geschnitten, in Dosen verpackt und konserviert.

Einen weiteren Halt legten wir, nun wieder landeinwärts fahrend, in Hazelton ein. Dort hatten die lokalen Indianer ein Dorf im traditionellen Stil wieder aufgebaut und vermittelten mit der schönen und originalgetreuen Anlage einen interessanten Einblick in die einstige Lebensart der Urbevölkerung.

Zum Übernachten fanden wir immer wieder schöne und zudem kostenlose Campingplätze, unter anderem am Bobtail Lake, welche ursprünglich vom Forstdienst eingerichtet worden waren und heute von der Organisation BC Recreation and Trails unterhalten werden. In Vanderhoof füllten wir Kühlschrank und Dieseltanks auf und nahmen die Direttissima Richtung Quesnel unter die Räder. Durch endlose Wälder, vorbei an unzähligen Seen, durchquerten wir das nördliche  Chilcotin Plateau


Barkerville und Cariboo

Von Quesnel aus erreichten wir Barkerville. Diese alte Goldgräberstadt boomte Mitte 19. Jahrhundert, als auch in dieser Gegend Gold gefunden wurde. Der Ort war bis 1979 bevölkert mit Leuten, die versuchten, auch an die letzten Goldkörnchen heran zu kommen. Danach blieb das Dorf verlassen und wurde, wie viele andere, zur Geisterstadt. Der Staat British Columbia wandelte Barkerville später in einen Provincial Park um wertete den Ort mittlerweile gar zur National Historic Site auf. Haus für Haus wurde restauriert und mit zeitgemässen Möbeln ausgestattet. In einigen der historischen Gebäude wurden wie zu Zeiten der Goldgräber die damals existierenden Läden und Gewerbe wieder angesiedelt, andere können als Museen besichtigt werden. Um dem Ort Leben einzuhauchen, wurden verschiedene Aktivitäten durch Schauspieler dargestellt und ausgeführt. Unter anderem konnten wir im alten Schulhaus einer Chinesisch Unterrichtsstunde beiwohnen, denn viele der damaligen Bewohner waren Chinesen, was sich auch anhand diverser Geschäfte mit chinesischen Beschriftungen zeigte. Auch eine mit einem Wasserrad betriebene Pumpe war nicht einfach ausgestellt, sondern wurde den Besuchern auf witzige und informative Art, in eine Geschichte verpackt, präsentiert.

Nach dem Besuch von Barkerville zogen wir uns wieder in die Wildnis zurück. Der See, an dem wir diesmal übernachteten, war ebenfalls ein Relikt aus der Goldgräberzeit. Dieser wurde auf der Suche nach dem Edelmetall von einem Schwimmbagger ausgebuddelt. Die skelettartigen Überreste der Maschine liegen noch heute gut sichtbar auf dem Grund des kristallklaren des Sees. Ein Abstecher zum Ghost Lake brachte uns nach Likely, von wo aus wir eine weitere, diesmal echte Ghosttown besichtigen wollten. Im Ort Quesnel Forks, der zwischen 1860 und 1862 über 2000 Goldsucher beherbergte, konnten wir einige der rudimentär restaurierten Blockhütten der einstigen Bewohner besichtigen, vor allem interessant war jedoch der relativ grosse, etwas ausserhalb des Dorfes gelegene Friedhof. Die Namen auf den Grabkreuzen machten deutlich, aus wie vielen Ländern die Abenteurer angereist waren.

Am Quesnel Lake fanden wir einen weiteren wunderschönen Übernachtungsort, was uns bewog, wieder einmal einen Ruhetag einzulegen. Der flache, kilometerlange Kiesstrand dem See entlang bot sich an für erholsame Spaziergänge und wer bei 23°C Lufttemperatur nicht zu kalt hatte, konnte ein erfrischendes Bad nehmen. Wir lernten auch hier nette Leute kennen, wobei uns  vor allem die drei älteren Männer aus Quesnel in guter Erinnerung blieben, die zum Fischen angereist waren, jedoch nach 8 h auf dem See mit leeren Händen, dafür ziemlich angetrunken wieder im Camp auftauchten und es unglaublich lustig hatten. Weitere Nachbarn waren Josef und Gaby, ein Paar aus Bayern, welches seit zwanzig Jahren immer wieder nach BC kommt, um in ihrem dort stationierten Camper die Gegend abseits der ausgetretenen Pfade zu erkunden.


Südliches Chilcotin

Via Horsefly gelangten wir nach Williams Lake, der nächsten grösseren Ortschaft, wo wir uns mit dem notwendigsten eindeckten, und vor allem unseren Weinvorrat ergänzten, bevor wir die Fahrt über den südlichen Teil des Chilcotin Plateaus fortsetzten. Walter, einer der Fischer, hatte uns eine Strecke empfohlen, welche von Big Bar Creek nach Lilooet führte. Um diesem Rat zu folgen, fuhren wir daher erst mal über Alkali Lake ins Tal des Fraser River hinunter. Hier wechselte die Umgebung schlagartig ihr Aussehen von zuvor grünen Nadelwäldern zu einer steppenartigen, trockenen Erosionslandschaft. Überraschenderweise trafen wir hier auf eine Gruppe von Dallsheep, Tiere die sonst eher in den Bergen oberhalb der Baumgrenze anzutreffen sind. Am Little Big Bar Lake richteten wir uns zum Übernachteten ein und lernten James kennen, einen Einzelgänger, der noch auf der Suche nach seiner Zukunft war und sich darunter ein einsames Blockhaus weit weg von der Zivilisation vorstellte. Gute Geschichten am Lagerfeuer waren mit diesem modernen Abenteurer somit gesichert.

Steil ging es am nächsten Tag zum Fraser River hinunter, wo wir den nicht wirklich überbelasteten Fäährimaa aus seiner Ruhe aufscheuchen mussten, damit er uns über den Fluss brachte. Auf der anderen Seite angelangt, stieg die Piste erstmal 1000m in die Höhe und zwar so steil, dass wir 4x4 brauchten und im 1. Gang hochkrochen. Die Strecke durch dichte Nadelwälder, die immer wieder den Blick freigab auf den tief unten fliessenden Fraser war wie versprochen, einmalig. Kurz vor Ende der Strasse kamen wir an einfachen Hütten vorbei, die von Indianern bewohnt wurden, welche am Fluss auf traditionelle Art Lachse fingen, diese vor Ort zubereiteten, um sie im heissen Wind trockneten zu lassen. Anstatt bei Lilooet auf die Hauptstrasse zu wechseln, drehten wir nach Westen ab und gelangten über den Mission Pass ins Tal des Andersen Lake. Auch diesmal führte die Piste extrem steil hoch und auf der anderen Seite genau so steil wieder hinunter zum See. Erneut hatten wir 1000 Höhenmeter zu überwinden, die oft nur im ersten oder zweiten Gang zu bewältigen waren. Die Strecke dem See entlang folgte einer Starkstromleitung, denn BC Hydro betreibt in diesem Tal ein grosses Wasserkraftwerk, und muss auf diesem Weg die hier produzierte Energie in die Zivilisation transportieren. Direkt dem Seeufer entlang führte eine Bahnlinie, welche für die Versorgung des Kraftwerks genutzt wurde, die Strasse hingegen, die weit oberhalb verlief, war eine abenteuerliche Achterbahn, welche definitiv ein robustes, wendiges Fahrzeug, wenn möglich mit Allradanrieb, erforderte. Nach beinahe zwei Stunden Fahrt mit unzähligen Kurven und Auf- und Abstiegen hatten wir wieder eine Teerstrasse unter den Rädern.

In einem nicht mehr genutzten Forest Campground übernachteten wir, bevor es am nächsten Morgen Richtung Vancouver weiterging.



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